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682 .Psych. Studien. XXXV. Jahrg. 11. Heft. (November 1908.)
laut gewisser Urkunden veröffentlicht. Gewiss hat sich derselbe
durch die Klarlegung dieser abergläubischen Gepflogenheit ein Verdienst
erworben, indem er uns einen tiefen Einblick in die Anschauungen
des Mittelalters tun lässt. Eine kleine Mühe war es nicht,
die mancherlei staubigen Akten zu durchstöbern, denen er seine
Funde verdankt und die ihn in den Stand setzten, das kleine interessante
Werk zu verfassen. Ereuaenberg-Die&den.
La Dynamis et les trois ämes. Essay de Psychologie n&> - aristotöli-
cienne. Von /. - Paul Mitliet. Paris, Bibliothfeque internationale
d^dition E. Sansot et Cie, 7 rue de Operon, 1908. Klein 8°, 389 S.;
ohne Angabe des Preises.
Es ist ein vortreffliches Werk, womit uns der gelehrte Verfasser
beschenkt hat, der schon seit längeren Jahren durch seine kunstgeschichtlichen
und philosophischen Veröffentlichungen vorteilhaft
bekannt ist. Auch der Gegenstand seiner vorliegenden Arbeit
taucht tief hinein ins Philosophische und ins Okkulte. Aber nicht
an die Gelehrten will sich Milliet wenden, sondern an alle, das heisst
an alle, welche den Wunsch hegen, sich unterrichten zu lassen und
die Lust und Eifer zum Studium derjenigen Fragen besitzen, welche
für den Menschen doch im Grunde genommen die allerwichtigsten
sind: woher komme ich? wer bin ich? wohin gehe ich? Zu dem
ersten, mehr historischen Teile des Werkes, der nicht nur die Be*
lesenheit, sondern auch das tiefe Eindringen des Verfassers in die
behandelten Philosopheme bezeugt, werden Animismus, Fetischismus
, Hylozoismus und die ganze Reihe der namhafteren Philosophen
des Altertums, des Mittelalters, der neueren und der neuesten
Zeit behandelt bis auf E. Hartmann, Darwin und Haeckel. Der
zweite Teil ist eine Darstellung der Dynamis oder der allgemeinen
Lebenskraft gewidmet, während der dritte Teil die Dreiseelentheorie
im Menschen entwickelt und in ihren Konsequenzen beleuchtet.
Nach dem Verfasser gibt es durchaus keine Gegensätze, sondern
nur gradweise verschiedene Uebergänge. Auch der Geist bildet
keinen Gegensatz zum Stoff, er ist nur eine subtilere Materie. Die
Materie ist das Sein, aber das Sein ist nur eine Zustandsverände-
rung. Es gibt keine unorganische Weit, denn aller Stoff ist mehr
oder weniger organisiert, bez. in der Organisation begriffen. Jede
Veränderung beruht auf einer Bewegung und jede Bewegung hat
eine Ursache, die Lebenskraft. „Leben des Stoffs und Stofflichkeit
des Geistes* sind die beiden Grundsätze des Neovitalismus. Der
Aether gilt nicht mehr als ein metaphysischer Begriff, er ist die ursprüngliche
Substanz, aus der alle Dinge hervorgehen. Indem sich
der Aether differenziert erzeugt er die unzähligen Aspekte, welche
wir unter den beiden Namen „Stoff* und „Geist* klassifizieren. So
wird aus einem anfänglichen Monismus ein scheinbarer Dualismus
Das Bewusstsein ist nicht ein einfacher Reflex; es ist ein spezielles
Aufleuchten, welches lebhaft gewisse Empfindungen in dem Augenblick
erhellt, wo sie in unser Ich treten. Auch die unbewussten
Empfindungen treten in unser Ich ein, aber im Schatten, in der
Stille, und von ihnen wissen wir nicht. Anschliessend an die
Werke von Richet und Grasset weist der Verfasser nach, dass die
Theorie der drei Seelen den Tatsachen Rechnung trägt. Selbst im
Normalzustand ist das Ich nicht unteilbar, sondern es vervielfältigt
sich unausgesetzt. Die obere Seele, welche die beiden unteren
beherrschen sollte^ ist nicht immer die stärkere. Sie muss bisweilen
zur TJeberredung ihre Zuflucht nehmen, um zu verhüten, dass das
Unterbewusstsein, der ungeschulte Renner, sich der Herrschaft
über die Willenskraft bemächtigt. Klar und deutlich
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