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Kaindl: Eusapia Paladino und der Spiritismus. 703
gegen Protest erhob, und zwar durch Bewegungen von so
unzweideutiger Natur, dass sogar Personen, welche mit dem
typtologischen Jargon nicht vertraut sind, keine Mühe gehabt
haben würden, ihn zu verstehen. Und als ich dann
erstaunt einwarf: „Oho John, du bist also kein Koyalist!",
verneinte er dies aufs nachdrücklichste durch die zwei üblichen
Klopflaute. Dieser Vorfall wiederholte sich bei
anderen Seancen auf ganz dieselbe Weise. Ich vermutete
anfangs, dass dieser Gedanke von Eusapia herrührte, und
dies um8omehr, als die Leute in Neapel der Monarchie treu
ergeben sind. Da ich mit ihr auf vertrautem Fusse stand,
so war es für mich ein Leichtes, das Gespräch einmal auf
diesen Gegenstand zu lenken; und die arme Frau, welche
im Laufe ihres abenteuerlichen Lebens nur allzuviel mit
Fürsten und Königen in — eine keineswegs immer angenehme
— Berührung gekommen war, teilte mir treuherzig
mit, sie verstehe nichts von Politik, habe auch kein
x Interesse für Könige und würde nur der Regierung den Vor-
! zug geben, die auch für die Armen Sorge trage. Von dieser
ihrer Ansicht wich sie auch bei späteren Unteredungen niemals
ab. Und selbst gegen den Herzog der Abruzzen,
welcher sie für ihre Sitzung fürstlich belohnte, zeigte sie
keinerlei dankbare Verehrung, indem sie sich beklagte, dass
ihr Seine königliche Hoheit nicht seine Photographie zum
Präsent gemacht und ihr auch sonst nicht jene freundliche
Aufmerksamkeit erwiesen habe, wie es andere Sterbliche
getan haben. Jene royalistische Kundgebung konnte also
wohl weder von „John**, noch von Eusapia selbst herrühren,
weil sie mit ihren Ansichten ganz im Widerspruche stand. —
Eines Tages sagte Eusapia zu Herrn R.: „Dieses Phantom
kommt Ihretwegen/4 worauf sie in einen tiefen, lethargischen
Tiance verfiel. Es erschien sodann ein Weib von
grosser Schönheit, das zwei Jahre früher gestorben war;
ihre Arme und Schultern waren von dem Saum eines Vorhanges
in einer Weise bedeckt, um^die plastischen Formen
erkennen zu lassen. Ihr Haupt war von einem sehr feinen
Schleier umhüllt; sie hauchte einen warmen Atem gegen
den Handrücken des Herrn Ä., führte dessen Hand zu ihren
Haaren empor und biss ihm dann ganz sachte in die Finger.
Währenddem hörte man Eusapia langgedehnte Seufzer aus-
stossen, welche eine ungeheure, schmerzvolle Anstrengung
verrieten und aufhörten, sobald das Phantom verschwand.
Die Erscheinung, welche mehrmals wiederkehrte, wurde
übrigens auch von zwei anderen Personen wahrgenommen.
Hierauf wurde ein Versuch gemacht, sie zu photographieren.
Eusapia und „John6* erklärten sich damit einverstanden,
Psychische Studien. Dezember 1908. 4$
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