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Reich: Philosophie und was dazu gehört.
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uDgelesen verwirft, ungehört verurteilt. „Man kann von
Schelling, wie von jedem grossen Philosophen«, sagt Drews,
„nur ein rechtes Bild erhalten aus dem unmittelbaren
Studium seiner eigenen Werke. Ein solches aber war bisher
dadurch erschwert, dass die Werke Schelling'8 im Buchhandel
vergriffen waren und die grosse Zahl der von ihm
verfassten Schriften vom Studium dieses Philosophen abschreckte
. u — Demnach hatten gegen Schelling auch ansehnliche
und nichtige äusserliche Momente sich verschworen
; zunächst der Buchhandel und die Scheu des
Publikums vor der Mühe des Aufsuchens selten gewordener
Bücher. So wie Schelling, ist es in Deutschland und anderswo
vielen Denkern ergangen. Wahrhaftig, es ist jammervoll
, wenn ein Autor nicht nur von Gegnern und Feinden
geschädigt wird, sondern wenn auch Buchhändler, die doch
parteilos sein sollten, Partei gegen denselben nehmen und
sein Licht unter den Scheffel stellen! Die sogenannten
grossen Verleger halten es mit den Eintagsschmetterlingen,
welche vor sich her posaunen lassen, und die kleinen Verleger
können gute Werke nicht immer angemessen vertreiben.
Und wer viele Werke schreibt, von dem glauben die Modemenschen
unter den Verlegern, er schreibe nicht multum,
sondern multa. Solches ist ein böses Vorurteil, und Vorurteile
werden auch bei Buchhändlern gepflegt.
Die soeben erschienene Neuausgabe der Werke Schelling1 s
bringt folgende seiner Arbeiten: „Vom Ich als Prinzip der
Philosophie", „Ideen zu einer Philosophie der Natur", „Von
der Weltseele", „ Einleitung zu dem Entwurf eines Systems
der Naturphilosophie„ Allgemeine Deduktion des dynamischen
Prozesses*, — „System des transcendentalen Idealismus
", „Darstellung eines Systems der Philosophie", „Vorlesungen
über die Methode des akademischen Studiums41 —
„Philosophie der Kunsttt, „Ueber das Verhältnis der bildenden
Künste zu der Natur", „Ueber das Wesen der
menschlichen Freiheit", „Darstellung des philosophischen
Empirismus„Philosophie der Mythologie und Offenbarung
". — Der dritte Band schliesst mit einem chronologischen
Verzeichnis der sachlichen Schriften Schelling1 sy
dem Namhaftmachung der Schelling-hitersitnr und ausführliche
alphabetische Sach- und Namenregister folgen.
Wer die aufgezählten Schelling scheu Werke mit Verständnis
durcharbeitet, lernt deren Urheber als wirklichen
grossen Philosophen kennen und stösst alle Verdächtigung
der Feinde und Gegner desselben mit Abscheu zurück.
Wer in der Welt hätte keine schwachen Seiten! Nach
diesen aber einen grossen Denker beurteilen, anstatt nach
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