http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1909/0076
72 Psychische Studien. XXXVI. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1909.)
sprochen hätte! Ich habe nur schwere Zweifel." Die
Gründe, welche de Fremery zu letzteren führten, sind in
Kürze folgende: 1. Alles, was er in der Sitzung gesehen
hat, kann nach seiner Überzeugung jeder geschickte Pres-
tidigitateur ausführen. 2. Miller zeigte während der Phänomene
keine Spur von Erschöpfung. Ob das Medium in
Trance ist (also bewußtlos und schlafend), weiß niemand;
man sagt es und so soll man es glauben. Die Art und
Weise, wie das Medium nach der Seanee wieder zu sich
kommt, scheint Mr. de Fremery künstlich gemacht.
3. de Fremery will sowohl bei Ankunft Mr. Miller's, wie
auch nach Schluß der Sitzung in dessen unmittelbarer
Nähe einen leisen Phosphorgeruch bemerkt haben
(dies wäre ein Punkt, der zu denken gäbe, — aber es muß
gesagt werden, diese Beobachtung Mr. de Frdmerv's steht
völlig vereinzelt da; es ist sehr unwahrscheinlich, daß in
den langen Jahren der medialen Tätigkeit Miller's niemand
einen etwaigen Gebrauch von Phosphor entdeckt hätte, i
4. Alle weiblichen Erscheinungen, sogar eiue „kleine
Puppe" sprechen mit derselben rauhen Stimme. Warum?
5. Warum sind alle Gestalten kurz und breit, wie das Medium?
(Das habe ich in der Münchner Sitzung nicht* bemerkt;
auch ist in vielen Berichten über die Pariser Sitzungen
gerade auf den Unterschied der Größe und des Umfanges
der Phantome hingewiesen worden. — P.) o. Die berühmte
schwebende Kugel hat keine nebelhaften Konturen, sondern
zeigt Falten eines Stoffes. 7. Die Dematerialisation einer
Gestalt kann das Medium leicht dadurch vortäuschen, daß
es niederkniet und sich dann platt auf den Boden legt, so
daß der Kopf auf dem Boden liegt. Mr. de Fremery hat
bei diesem Phänomen gehört, daß der Stuhl im Kabinett
gerückt wurde, und erklärt dies als Beweis, daß das
Medium durch die unbequeme Lage in dem engen Raum
sehr unbeabsichtigter Weise an den Stuhl gestoßen habe.
(Ich habe in der Münchener Sitzung den Kopf der sich
dematerialisierenden Gestalt senkrecht und entfernt
vom Kabinet auf dem Boden stehend gesehen; Schultern
uswr. müßten zu sehen gewesen sein, wenn damals das
Medium auch auf dem Boden gelegen wäre! — P.)*) 8. Der
Gesang Betzy's ist für Mr. de Fremery das erschwerendste
Moment. E* sagt: „Dieser Gesang Betzy's hat meine
Zweifel beendet; ich weiß jetzt, was man in Miller sehen
*) Bei einem schwarzen Anzug, wie ihn die „Illusionistentf
absichtlich tragen, kann man sich — zumal bei mangelhafter Beleuchtung
— sehr leicht hierüber täuschen. — Eed.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1909/0076