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104 Psychische Studien. XXXVL Jahrg. 2. Heft. (Februar 1909.)
empfangen, als ob er den okkulten Phänomenen noch heute
mit der notwendigen Voraussetaungslosigkeit aller Wissensehaft
gegenüberträte. Er gestand schließlich, daß ihm die
Phänomene kein tieferes Interesse abnötigten, denn — so
endete er —: „ Zweierlei Empfindungen sind das Resultat
eines langen Forschens. Erstens: die Beschäftigung mit
den spiritistischen Tatsachen ist eine sehr langweilige Sache. (!!)
Zweitens ist sie höchst widerwärtig für den Forscher. Dieser
ist wohl gewohnt, mit allen möglichen Schwierigkeiten zu
rechnen und zu kämpfen, aber daß ihm an allen Ecken
und Enden Betrug auflauert, das begegnet ihm nur im
Spiritismus.Ä — — Langweilig und widerwärtig ist die
spiritistische Forschung durchweg! In der Tat, das war
wohl das interessanteste Ergebnis dieses Vortrages, der
sonst neue Gedanken vermissen ließ.
III Abteilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Die Möglichkeit des Wahrsagens und
Prophezeiens.
Nach Mitteilungen von Dr. Max Dessoir,
Professor an der Universität Berlin *)
Der Telegraph meldete vor einigen Tagen aus Petersburg
, daß der Zar einen Okkultisten namens Miller**) empfangen
habe, einen Mann, dem die Fähigkeit gegeben sei,
in die Zukunft zu schauen. Der Okkultist habe dem Kaiser
zwei Dinge für das kommende Frühjahr prophezeit: einen
Krieg Rußlands mit dem Balkan und einen furchtbaren
Krieg zwischen Deutschland und England! Die Petersburger
Depesche schließt mit der Mitteilung, daß die
Prophezeiung einen geradezu niederschmetternden Eindruck
auf den Zaren gemacht habe. Diese Depesche ist durch
einen großen Teil der Presse gegangen, sie ist bisher un-
widerrufen geblieben; an ihrer Richtigkeit zu zweifeln,
liegt um so weniger Veranlassung vor, als im Laufe der
letzten zehn Jahre vielfach ähnliche Nachrichten vom
*) S. „Tägl. Bundschau11 Nr. 549, 3. Beil. vom 22. Nov. 08.
Vgl. Dez.-Heft, K. Not. b), S. 735. — Red.
**) Vgl. hierzu die Erklärung „In re-C. V. Miller" S. 73 dieses
Heftes. — Red.
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