http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1909/0168
164 Psychische Studien. XXXVI. Jahrg. 3. Heft. (März 1909.)
Die geehrten Leser mögen nur das beigegebene Geisterbildnis
von Rev. F. D. Maurice (s. Bild) auf die Berechtigung meiner
Bedenken prüfen (8. 148). Den Kopf umgibt eine Schleiermasse
, die so kompakt ist, daß der dunkle Hintergrund
durchaus verdeckt wird. Der Schleier ist also undurchsichtig
. Und doch sieht man, wie die Falten des Gewandes
sich gegenseitig durchkreuzen! Dies anzunehmen, heißt aber
den uns bekannten Gesetzen allzusehr Gewalt antun; denn bekanntlich
kann eine herabfallende Falte nie ht ohne weiteres
durch eine quergehende gekreuzt werden. Auf dem beigegebenen
Bildnis ist das aber an vier Stellen der Fall.
Bei dieser Untersuchung gelangen wir wieder zu meiner
Vermutung, daß es sich um ungeschickte Pinselstriche
handelt, die sich gekreuzt haben. Das Bild von „Amiett
(S. 107) scheint überhaupt nur aus einer rohen Malerei auf
einer ursprünglich gleichmäßig durchsichtigen, also schwarz
kopierenden Glasplatte zu bestehen. Von einer Geister-
photographie wird gerade bei diesem Bilde schwerlich gesprochen
werden können. —
Ein wichtiger Einwand gegen meine Bedenken wird
darin liegen, daß behauptet wird: Angenommen, raeine Vermutungen
träfen zu, so müßte die Platte die vorgenommene
Retusche aachweisen. Xein! Wenn durch Retusche und
andre betrügerische Eingriffe ein solches Bild gefertigt ist,
hat man nur nötig, die Kopie erneut zu photographieren.
Die sich alsdann ergebende Platte hat nur Lichteindrücke,
irgendeine direkte Retusche ist nicht wahrzunehmen.
Kein einziger Hinweis auf Bedingungen ist gegeben, die
derartige Eingriffe von vornherein ausschlössen. —
Ich bin weit entfernt davon, John Lobb's Ehrenhaftigkeit
auch nur ganz leise anzuzweifeln. Ob er die geeignete
Persönlichkeit für wissenschaftlich-spiritistische Experimente
darstellt, steht auf einem andern Blatte. Alle Anzeichen
deuten vielmehr darauf hin, daß er das Opfer einer dreisten
Mystifikation geworden ist Das kann auch dem Manne
passieren, dessen ganzes Leben ein Protest gegen Unwahrheit
und Falschheit, ein Kampf für Menschenrechte darstellt
. Und als eine solche Persönlichkeit wird uns John
Lobb geschildert. Er hat auch in einigen Fällen Pseudo-
medien die Tür gewiesen. Um aber im heutigen Spiritismus
die Scheidung von Wahrheit und Betrug gewissenhaft und
gründlich vornehmen zu können, dazu müssen andre Mittel
verfügbar gemacht werden, andre Methoden gewählt werden,
als dies in John Lobb's Wirken — nach seinem Buche zu
urteilen — geschehen ist. Eine einzige Photographie
eines Geistes, aufgenommen unter allen erdenkbaren Vor-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1909/0168