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200 Psychische Studien. XXXVI. Jahrg. 4. Heft (April 1909.!
Das Geräusch
kann vielleicht als eine der schädlichsten Einflüsse bei Bildung
des Phantoms und dessen Erhaltung in dichtem Zustand
angesehen werden. Das sehr gut verdichtete Phantom
ist zur Tätigkeit disponiert: es genügt ein längeres
Geräusch von bestimmter Intensität, sogar die animierte
Unterhaltung — wenn auch von den Teilnehmern nur mit
halblauter Stimme geführt — und die Konturen des Phantoms
werden weniger deutlich; die großen Schwingungen
sind stürmisch und sprunghaft; das Phantom erzittert dann
in seinem ganzen Umfang, es wird flau, weniger leuchtend,
weniger schön anzusehen und verliert jede Fähigkeit zum
Handeln. Wenn in solchen Augenblicken bei dem Phantom
eine plötzliche Aufregung eintritt, wie dies manchmal
ohne erklärbaren Grund geschieht; wenn ein intensives Geräusch
ertönt oder wenn das Phantom von einem grellen
Lichtstrahl getroffen wird, wie ihn der Photograph zu
Momentaufnahmen im Dunkeln gebraucht, verläßt das
Phantom seinen Platz und sucht hinter der Versuchsperson
Schutz, sie gleichsam als Schild benützend. Oftmals löst
es sich auch vollständig auf und seine Bestandteile kehren
fast augenblicklich in den Körper der Versuchsperson zurück
. Die Entdoppelung ist beendet und, wenn man in dem
Experiment fortfahren will, muß man die Person von neuem
entdoppeln; aber das Phantom bleibt furchtsam, es geht
nur mit Mißtrauen an jenen Ort, wo es tätig sein soll; auf
alle Fälle verliert man viel Zeit und selten erzielt man befriedigende
Erfolge.
Hell klingende Tonschwingungen wirken auf das Phantom
sehr intensiv; und da jede Bewegung desselben sich
auf die Versuchsperson überträgt, kann man, wenn man
letztere an den Händen faßt, die Schwingungen konstatieren
, wie auf der Oberfläche tiner Glocke die Vibrierung
derselben. Man bemerkt diese Bewegungen durch Ver-
mittelung des Phantoms sogar früher, als das Gehör des
Teilnehmers sie aufnimmt. Es kommt z. B. ein schwerer
Wagen aus einer gewissen Entfernung auf der Straße; niemand
hört denselben, aber der Experimentator fühlt in
seinen Händen die Bewegung der Versuchsperson. Dieselbe
nimmt zu, der Wagen kommt näher, man hört ihn und die
Bewegung wird noch stärker; der Wagen entfernt sich, das
Geräusch hört auf, aber die Bewegung bleibt noch einige
Augenblicke wahrnehmbar. Das Phantom ist darauf mehr
oder weniger zerrüttet. Die Empfindlichkeit für hell
klingende Töne ist so groß, daß, wenn man die Hand der
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