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Feter: Schallende Tritte an der Grenze einer andern Welt. 227
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.Behauptungen sein. Wer ermächtigt ihn zu der Anmaßung
, zu bestimmen, was Gottes Gesetze erlauben oder
verweigern? Auf welche Autorität hin nimmt er die
Kenntnis dieser Gesetze für sich in Anspruch ? Er, dessen
Leben kaum einen Tag währt, er, dessen Auge nur eine
winzige Strecke übersieht, woher nimmt er, der nur sich
tastet über die kurze Spanne seines Daseins, das Recht, zu
behaupten, was in der unbegrenzten Zukunft ist und nicht
ist? Bringt nicht die tägliche Erfahrung Beweise gegen
solche schlimme Einbildung? Jene, welche tiefes Studium
gelehrt hat, wie wenig sie wissen, sprechen und urteilen
nicht so. Die einfache Weisheit solcher Menschen anerkennt,
daß Naturgesetze existieren mögen, welche ihnen gänzlich
unbekannt sind. La Place sagt in seiner „Theorie ana-
lvtique des Probabilites": „Wir sind so weit entfernt, alle
Kräfte der Natur und die verschiedenen Arten ihrer Tätigkeit
zu kennen, daß es nicht philosophisch sein würde,
irgendein Phänomen deshalb zu leugnen, weil es bei dem
gegenwärtigen Stand unsrer Kenntnisse nicht erklärbar ist.
Es bleibt uns nur eins: je schwieriger es uns scheint, dasselbe
zuzugeben, desto intensiver muß unsre Prüfung sein"
Ja, es ist möglich, daß manche Naturgesetze noch niemals
, seit der Mensch da war, sie zu beobachten, in die
Erscheinung getreten sind. Sir John Herschel *) hat diese
Wahrheit treffend illustriert. „Unter allen möglichen Kombinationen
," sagt der gelehrte Philosoph, „der fünfzig oder
sechzig Elemente, welche nach der Lehre der Chemie auf
der Erde existieren, sind vermutlich, nein, sind ganz sicher
einige niemals erhalten worden und sind in gewissem Verhältnis
und unter gewissen Umständen noch niemals in Beziehung
zu einander getreten. Doch kein Chemiker kann
darüber in Zweifel zein, daß das Gesetz bereits vorhanden
ist, wie sie sich verhalten werden, wenn jener Fall einmal
eintritt. Sie werden gewissen Gesetzen gehorchen, von
welchen wir gegenwärtig nichts wissen, die aber schon bestimmt
sind, denn sonst wären es keine Gesetze/
Was aber für die Gesetze der chemischen Affinität
gilt, das ist auch gültig für die physiologischen uud psychologischen
Gesetze. Für die Gesetze des Geistes gilt es
wahrscheinlich noch mehr, als für jene der Materie; denn
nichts in der Welt schreitet so konstant fort, als die
*) Englischer Astronom und Physiker, geb. 1792, gest. 1871,
Sohn des Musikers und Astronomen Friedr. Wilh. Herschel (geb.
1738 zu Hannover, gest. 1822 in Slough bei Windsor), der die
Uranus- und Saturntrabanten entdeckte und selbst Riesenteleskope
baute. — Red,
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