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230 Psychische Studien. XXXVI. Jahrg. 4. Heft. (April 1909.)
Skeptik und Pneumatologie.
Von Nana Weber-Bell (Gräfelfing-München.)*)
Auf dem Gebiete des Okkultismus ist der halsstarrige
Skeptiker, gleichviel ob er ein Prophet der exakten Naturwissensehaften
ist, oder zu einer anderen Kategorie gehört,
schwer zu überzeugen, daß die Seele das wahrhaft Seiende,
das ,Ens% der Körper dagegen nur Schein ist
*) Um die Leserschaft mit dieser neugewonnenen Mitarbeiterin,
deren uns sehr willkommenen obigen Beitrag wir der gütigen Vermittlung
des Herrn Hofrat Prof. a. D. Max Seiling verdanken,
etwas näher bekannt zu machen, glauben wir uns gestatten zu
dürfen, aus ihrem Begleitschreiben die folgenden Stellen als Einleitung
beizusetzen: „Ich bin noch ein Neuling auf dem Gebiete
der okkulten Wissenschaften. Ein eigentümliches Erlebnis hat
mich, die Skeptikerin, zum Nachdenken gebracht: ich mußte — als
Naturforscherin — diese Sache weiter verfolgen und ohne mich von
jemanden in irgend einer Weise beeinflussen zu lassen, die Tatsachen
feststellen. Vorab sei die Versicherang gegeben, daß ich
keine Schwärmerin, auch nicht hysterisch bin — Krankheitserscheinungen
, die größtenteils dem Faulenzertum entstammen; ich aber
muß arbeiten von früh bis spät, speziell auf dem Arbeitsfelde einer
exakten wissenschaftlichen Forschung, der physikalischen und physi »-
logisch-psychologischen Akustik. Meine kleine Arbeit, um deren Aufnahme
ich bitten möchte, befaßt sich nicht mit Träumen, sondern nur
mit Geschehnissen aus dem Reiche der vierten Dimension. Ich gehöre
zu jenen Menschen, die da sagen: Ich glaube nur, was ich selber
sehe. Und dieses „ selber Sehen" spielte sich jeweilen zu einerZeit ab, wo
ich im Kampfe um mein Stück Brot arbeitete, bis tief in die Nacht in
meinem Arbeitszimmer schrieb; hatte ich doch meinen heißgeliebten
Gatten durch den Tod verloren und war dadurch ganz auf meine
schriftstellerische Tätigkeit angewiesen. Diese Geschehnisse haben
in ihrem Mittelpunkt mit einem Medium nichts zu tun; sie spielten
sich auch teils vor den Augen meiner Tochter, wie meines 5jährigen
Enkels ab, der das Erlebte selbst erzählt. Seit dieser Zeit bin icn
ein umgekehrter Mensch, d. h. die ungläubige Seite meines Ich's
ist verschwunden, ich studiere täglich auf dem Gebiete des Okkultismus
, experimentiere selbst und glaube ev. ein gutes Medium abzugeben
, wenigstens eines von jenen, auf das man bauen kann.
Ich habe zwar schon vor Jahren aus eigner Initiative Licht, Wärme,
Elektrizität und Magnetismus näher aneinander gerückt und ihren
Einfluß auf den geistigen Menschen erprobt, aber zu übersinnlichen
Erlebnissen gelangte ich erst nach dem Tode meines teuren Mannes.
Alle früheren Phänomene, z. B. Klopflaute u. a. m., hielt ich für
Täuschung. Die Werke Aksakow's habe ich gelesen, Hellenbach,
du Prjpl u. a. in Vorbereitung, aber am meisten interessiert mich
die erneute Erforschung und das Hauptwerk des Freiherrn von
Reichenbach: „Der sensitive Mensch". Was mir seit meines Mannes
Tode in so auffälliger Weise passiert, ist, wie die Leser sich überzeugen
werden, einzig in seiner Art. Ich muß, wie gesagt, gestehen :
ich bin ein ganz neuer Mensch geworden, dessen Inneres einem
Tempel ähnlich ist, dessen heilige ßube and die durchschimmernden
Strahlen der goldnen Ewigkeitssonne den müden Erdenpilger zur
Hast einladen. Ich habe ein Glück erobert, mit dem auch die ganze
Menschheit beglückt werden sollte/ —- R e d.
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