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278 Psychische Studien. XXXVI. Jahrgang. 5. Heft. (Mai 1909.)
Wir würden die kommenden großen Wendepunkte der
Geschichte Europas genau kennen, wenn der Seher bei
jedem Quatrain die Jahreszahl notiert hätte; aber es wäre
unheimlich und müßte einen gewaltigen Einflins auf die
Vorgänge haben, wenn wir ihre Zeiten wüßten. Ja er vermied
es, die Prophetien nach ihrer geschichtlichen Folgt
anzuordnen und hat sie absichtlich durcheinander geworfen,
so daß man sich wie in einem Labyrinth befindet. Nur
eine Ausnahme macht er in der Zusammenstellung der
sensationellsten und aufregendsten Ereignisse, die er in
Prosa als Epistel an den König Heinrich II, seinen Protektor
, gewissermaßen als Erläuterung seiner (^uatrains
herausgab. Diese Arbeit ist vom 27. Juni 1558 datiert und
in 118 kurze Abteilungen beziffert. Hier ist in No. 89 angegeben
, daß mit dem Jahre 1792 eine weit größere
Verfolgung der Kirche anfangen und so lange
dauern werde, wie die in Afrika, womit wohl der Einbruch
der Moslems in die christliche Welt gemeint ist, die
ja dem Christentum in Afrika bis heute überhaupt ein
Ende bereiteten. In jenem Jahre, heißt es dort, würde man
eine Neuerung der Zeitrechnung (siecle, als Jahrhuudert-
rechnung) vornehmen, oder im Urtext:
„k Fan mil sept cens nonante deux que Fon
cuydera estre une renovation de siecle'*.
Gemeint ist der neue Kaiendtr der Republik, der mit
dem Herbstäquinoctium, dem 22. September 1792, begann
und hi^r das Jahr Eins der neuen antichristlichen Ära ansetzte
, die Wochenrechnung durch eine zehntägige Periode
ersetzte und die kirchlichen Namen der Tage abschaffte.
Diesen Kalender beseitigte dann Napoleon I. 1804
wieder, weil er Kirche und Klerus zu seinem Kaisertum
kaum hätte entbehren können. Die kurze Dauer des
republikanischen Kalenders aber ist von Nostradanius in
seiner andeutenden Weise ebenfalls prophezeit in dem eingeschobenen
Worte que Fon eu vd era % dessen Sinn bisher
noch unerkannt blieb: er sagt, daß man glauben
wird, eine neue Zeitrechnung (als etwas Dauerndes) einzuführen
. Die Jahreszahl 1792 hat er hier offenbar nur deshalb
angegeben, weil es sich um dje Eröffnung einer vermeintlich
grundstürzenden Zeitrechnung handelte, und diesei
Fall, der bis jetzt wenigstens der einzige ist, beweist, daß
es keine I'lberhebung des Behers war, wenn er in den*
gleichen Epistel an den König No. 73 sagt, daß er, wenn
er gewollt hätte, jedes Quatrain hätte nach
der Zeit der Ereignisse beziffern können („que
si ce voulois ä un chacun quatrain mettre le denonibrement
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