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880 Psychische Studien. XXXVI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1909.)
werden sie von seilen der Skeptik als unbewußte Uber-
tragung von Vorstellungen erklärt. Indeß sind auch viele
Fülle bekannt, in welchen die Erscheinungen von Phantomen
der Toten in Abwesenheit von Personen stattgefunden
haben, welche den Verstorbenen kannten. Ja,
noch mehr, es ist wiederholt gelungen, die von hellsehenden
Medien geschilderten Phantome der Toten zu photogra-
pl deren. Der geehrte Leser kann diese Beispiele in Aksa-
kow's berühmtem Buche „Animismus und Spiritismus*
nachlesen.
Aber auch außerhalb des eigentlichen Spiritismus sind
die Erscheinungen von Verstorbenen so alt, wie die Geschichte
der Menschheit. Die Bibel z. B. enthält eine
Menge Beispiele. Die Berichte über Erscheinungen in sogenannten
Spukhäusern sind zahllos und sie stammen aus
allen Ländern und allen Zeitaltern. Die Tatsachen sind
oft zweifellos und einwandfrei festgestellt worden. Sie alle
in Bausch und Bogen in das Reich des Aberglaubens zu
verweisen, ist nicht statthaft und verrät lediglich Unwissenheit
. Sogar die „Gesellschaft für psychische Forschung*
in London hat zahlreiche Beispiele von Spukhäusern und
gesehenen Phantomen festgestellt; es fällt ihr gar nicht ein,
absolute Tatsachen zu leugnen, für sie handelt es sich
lediglich um Erklärung dieser Tatsachen.
Am häufigsten sind die Fälle des Erscheinens der
Phantome der Toten an dem Sterbebett. Auch solche
Fälle hat die genannte Gesellschaft in großer Menge gesammelt
. Ernesto Bozzano hat dieselben klassifiziert und die
einzelnen Kategorien mit Beispielen belegt, welche sämtlich
den „Proceedings", dem Organ der „Society for P. R.",
entnommen sind. Ich lege die Arbeit E. Bozzano's*) in
den folgenden Blättern dem geehrten Leser im Auszuge vor.
Nur noch ein paar Worte vorher: Auch in diesen von den
* „Proeeedings" gebrachten Fällen sind selbstredend die
Tatsachen einwandfrei festgestellt. Die genannte Gesellschaft
nimmt keinen Fall zur Untersuchung an, der Zweifel
offen läßt. Was aber die Erklärung betrifft, so will sie
die spiritistische Hypothese erst dann zur Diskussion zulassen
, wenn alle üorigen Hypothesen erschöpft sind. Dies
ist ein Standpunkt, den man nur billigen kann; doch darf
ein Punkt nicht übersehen werden: man muß auch wirklich
erkennen, wann eine Hypothese erschöpft ist, d. h.
nicht mehr tauglich ist zur Erklärung eines Phänomens.
*) Ernest Bozzano: „Des apparitions des d^funts au lit de mort.*
rAiinales des Sciences Psychiques*, März 1906.
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