http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1909/0586
582 Psych. Studien. XXXVI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1909.)
H. Abteilung.
Theoretisches und Kritisches.
Die Seelenlehre von Eduard v. Hartmann.
Ein Referat von Wilhelm v. Schnehen. *)
Die Seelenlehre Hartmann's nimmt mit Recht ihren
Ausgang von den psychischen Phänomenen, das heißt von
den seelischen Erscheinungen des Bewußtseins. Denn nur
diese — und zwar die seines eigenen wachen Bewußtseins,
des Bewußtseins seiner grauen Vorderhirnrinde — sind dem
Menschen unmittelbar gegeben. Hier also muß d<e Untersuchung
beginnen. Ja, zahlreiche Denker der Gegenwart
sind der Ansicht, daß sie sich ganz auf das Bewußtsein beschränken
müsse: sei es nun, weil sie überhaupt alles Sein
mit bewußt-Sein gleichsetzen, oder auch nur, weil sie das
Außerbewußte als über die Grenzen jeder möglichen Erfahrung
hinaus liegend auch für unerkennbar halten. Da-
vielen Verdächtigungen der Medien einzuschränken von Seiten
solcher, die weder Erkenntniskritik, noch Psychologie von Nerven -
(bezw. Geisteskranken studierten uud doch über die tiefsten Probleme
eines abnormen Seelenlebens urteilen wollen. Ich schrieb sie
ungern, weil ich fürchten muß daß ich bei Einsichtslosen dadurch
leicht meine vielen mühsamen Atbeiten entwerten könnte, die ich
über meine reichen Erfahrungen als Medium und Hellseher seit
mehreren Jahren Jn verschiedenen okkultistischen Zeitschriften, besonders
in der „Übers. Welt44, bisher veröffentlicht habe. Aber ich
bin gewillt, die obige Arbeit trotzdem fortzusetzen und über meine
Erfahrungen mit Somnambulen auszudehnen, wenn ich weiß, daß
ich dadurch den vielen armen Menschenkindern helfen kann, die
als Medien und Hellseher sich abmühen, eine Wissenschaft begründen
zu helfen, von deren Emporblühen nach meiner Überzeugung
der Kulturfortschritt der Menschheit abhängig ist. Ich
veröffentliche sie in den „Psych. Studien", weil sie dann zu den
vielen Lesern spricht, die dem Spiritismus und seinen Medien
immer noch skeptisch gegenüberstehen/ — Auszunehmen von der
Lossprechung vom absichtlichen Betrug sind aber — wohl auch
nach der Ansicht des so erfahrenen Herrn Verfassers — jedenfalls
diejenigen „entlarvten* Medien, welchen nachgewiesen wird, daß sie
irgendwelche zur Irreführung geeigneten Utensilien (Gewandstoff,
falsche Bärte, Blumen etc.J in die Sitzung eingeschmuggelt haben.
— Red.
*) Vgl. Ed. v. Hartmann „Grundriß der Psychologie"
(1908). „Moderne Psychologie. Eine kritische Geschichte
der deutschen Psychologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
" (1901), „Kategorienlehre* (1896) und „Das Problem des
Lebens" (1906). — Die in Klammern beigefügten Seitenzahlen beziehen
sich auf das erstgenannte Werk.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1909/0586