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v. Schnellen: Die Seelenlehre von Eduard v. Hartmann. 595
hervor, die nur durch ein Bewußtsein des Kückenmarkes
begreiflich werden (103—104. Vgl. „Philosophie des Unbewußten
", I, 80—82, 366—433; 53—59).
Danach hätten wir also in uns selbst außer dem uns
unmittelbar bekannten Oberbewußtsein der grauen Hirnrinde
noch eine ganze Stufenreihe von Unterbewußtseinen
in den niederen Hirnteilen, in den Rückenniarksabschnitten
und in allen einzelnen Zellgruppen und lebenden Zellen
unseres Körpers anzunehmen. Und in den Sonderempfindungen
dieser untergeordneten Bewußtseine, namentlich
in den einzelnen Zellen und Zellgruppen der Großhirnrinde
selbst, hätten wir die unterschwelligen Bausteine
zum Aufbau des uns fertig gegebenen Inhaltes des obersten
Bewußtseins. Alle diese relativ unbewußten, das
heißt unter der SohwelJe des obersten Bewußtseins bleibenden
Empfindungen aber sind als Inhalte niederer Bewußtseine
genau in demselben Sinne seelische Erscheinungen
oder psychische Phänomene, wie der Inhalt des oberen Bewußtseins
selbst. Sie stehen genau so wrie dieser fertig vor
dem Bewußtsein, dem sie erscheinen, ohne daß dieses einen
Einblick in ihre Entstehung und Zusammensetzung aus
unterschwelligen Bestandteilen hätte.. Sie sind seelische
Erscheinungen und nicht etwa seelische Tätigkeiten. Und
die seelische Tätigkeit, w^enn es eine solche gibt, wTaltet
ebenso unbewußt hinter ihnen, wie hinter den Erscheinungen
des Oberbewußtseins; während ein etwaiges seelisches Subjekt
noch weiter zurück, nämlich hinter jener seelischen
Tätigkeit, stehen würde (104—107).
Die Unterbewußtseine bilden also mit ihren relativ unbewußten
Empfindungen wrohl eine wesentliche und unentbehrliche
Bedingung für das Zustandekommen der seelischen
Inhalte des Oberbewußtseins; aber ihre zureichende und
vollständige Ursache können sie nicht sein. Denn die seelischen
Erscheinungen in den Unterbewußtseinen sind ebenso
wie die des Oberbewußtseins selbst nur passive, wirkungsfähige
Erzeugnisse außerbewußter Ursachen. Auch können
sie schon als eine einheitslose Vielheit selbst nichts tun,
um ihre gesonderten Empfindungen zur Einheit des Ober-
bewußtseins zu verschmelzen. Und wenn schon dessen ein-
\eitliche Intelligenz nicht entfernt der Aufgabe gewachsen
ist, den Aufbau und die Erhaltung des Organismus und
seiner zweckmäßigen Anlagen zu leiten und sie neuen, veränderten
Umständen anzupassen, so werden die schwächeren
Intelligenzen der vielen Unterbewußtseine sich ihr gegenüber
erst recht als unzulänglich erweisen. Vor allem aber
bleibt die Frage, woher denn das Bewußtsein überhaupt
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