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Samuel: Untersuchungen über das Problem des Transszendentalen. 607
ich das Reingeistige in mir denke, das immer als Einzelnes,
als Person veranschauliche, wobei ich nur vergesse, daß
eine Person ja nur vorhanden ist dadurch, daß das hinzugefügt
wird, wovon ausdrücklich abstrahiert werden sollte.
Ich kann wohl sagen: das Rein geistige ist der Grund
meiner Individualität; aber eben deswegen kann es selbst
nicht individuell sein. Die Ursache der Schwerkraft kann
nicht selbst eine Schwerkraft sein. Die spiritistische Erscheinung
(wenn ich ihre volle Wahrheit voraussetze) lehrt
mich also nicht, daß es ein individuelles transszendentales
Subjekt gibt. —
Das letzte Wort über du PrePs Philosophie muß deshalb
lauten: Alle philosophischen Bemühungen . du PreFs
zielen darauf hin, einen transszendentalen Individualismus
zu begründen. Wie diesen du Prel nach seiner letzten
Folgerung denkt, ist er unmöglich, und was er uns wirklich
gibt, ist gar kein transszendentaler, sondern nichts
mehr oder weniger als eine Erweiterung unseres gewöhnlichen
psychologischen zu einem okkult - psychologischen
Individualismus, an welchem das letzte Problem des Transszendentalen
unaufgelöst vorhanden ist.
Sollen wir deshalb die transszendentale Individualität
aufgeben? Da sind die lieben Geister, die nach dem irdischen
Tode, dem jenseitigen Erwachen, menschenähnliche
Wesen geblieben sind, getrennt durch eine abgesonderte
Leiblichkeit, Individualität, ähnlich wie wir. Sie leben an
luftigen Orten voller Schönheit und Milde, beschäftigen sich
mit uns unfaßbaren Werken der Liebe und Vervollkommnung
, treten nach Wunsch mit uns in Verbindung, begleiten
uns schützend auf unseren Lebenswegen und sehen
nach kurzem Erdenleid, falls sie den Weg der Tugend gewandelt
sind, in eine heitere Unendlichkeit hinein, die nur
hier und da durch selbst gewählte, schnell vorübergehende
Läuterungen, die man Inkarnationen nennt, unterbrochen
werden. Xach Grad, Würden und innerer Verwandtschaft
sind sie in viele abgestufte Reiche eingeteilt. Wir
Menschen, die wir nur mit unserem niedereren Wesensteile
im Fleische wandeln, bilden mit unserem Höheren das Anfangsglied
eines unermeßlichen Geisterreichs, durch das wir
mit dem Höchsten verbunden sind. Ein liebenswürdiges
Bild! Sollten wir es nicht vorziehen, um dessentwillen
etwas von der Strenge unserer spekulativen Forderungen
nachzulassen? Bevor wir diese Frage beantworten, wollen
wir einmal zusehen, was wTir denn von unserem Standpunkt
aus zu bieten haben. (Fortsetzung folgt.)
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