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Lang: Am Wendepunkt der Ideen.
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wissenschaftliche Methode hofft er „das Gefühl der gesteigerten
Sicherheit * zu erzielen (S. 11, 13). Doch ist es
nicht Fachgelehrsamkeit, was er vorbringt, sondern es ist
„eine Darstellung des Ergebnisses jahrzehntelangen Ringens
nach Erkenntnis, soweit des Verfassers von derartigen Arbeiten
weitab liegender Beruf es zuließ" (S. 221).
„Die vermißte Befriedigung ist ein Zustand, der nicht
dem Gebiete der Vernunft, sondern dem des Gefühles angehört
" (S. 12). Die Betätigung des Denkens ist Sache
der Wissenschaft. Das Gebiet des sich höher ringenden
Gefühls nennt Lang „Religion" (S. 13).
Für das Weltgeschehen sind die Körper- und Lebensvorgänge
das Entscheidende, für den Menschen aber sind
dies die Empfindungen und die Gefühle (S. 62). Lang's
Hauptgesichtspunkte sind durchweg der sprachliche
Ausdruck der erlebten Erkenntnis und das Wachstum des
Willens zur weiteren Ausgestaltung. Sprache und Wille
sind die typischen Formen für den wechselseitigen Einfluß
zwischen körperlichen Lebensvorgängen und den neu sich
ausbildenden Fertigkeiten (Fähigkeiten, Wahrnehmungsund
Wirkens-Möglicükeiten) des Menschen.
Das Gefühl der Abhängigkeit von der Weltordnung
findet seinen Ausdruck in den „Gottesideen" (S. 87, 124).
Den Wendepunkt in der Entwickelung des Menschen
erkennt Lang in der Erscheinung Christi (S. 95). Er stellt
die Entwickelung von den Naturreligionen bis zum Buddhismus
dar als einen Zustand der verzögerten Befriedigung
oder der fortdauernden Hemmung (S. 86—93). Erst im
Christusgeiste zeigt sich die schöpferische Willens - Betätigung
; dieser ist ein Impuls der Willens - Belebung, und
er führt den Willen zur Betätigung (S. 95, 103). Der in der
Erscheinung Christi zur Verkörperung gelangte Wille wird
zur erlösenden Tat (S. 103—114).
Durch die „Religion des von Liebe geleiteten Willens"
(S. 173) ist der Mensch so eingeordnet in das Weltgeschehen,
daß hingebungsvolle Tätigkeit (ohne Kampf der Menschen
gegen einander) ausreicht, das Dasein befriedigend zu gestalten
" (S. 104). „Und nun ist der Ausgangspunkt der Beli-
gion nicht mehr das Gefühl der Abhängigkeit, sondern das
des einheitlichen Zusammenhanges" (S. 113). „Das Gefühl
der Einordnung des Menschen in dies Weltgeschehen wird
für ihn zur ebenso zwingenden, wie zuverlässigen Führung,
zu einer gedeihlichen Entwickelung innerhalb dieses Zusammenhanges
. Er steht so dem Weltgeschehen nicht mehr
mit dem Gefühl der Furcht gegenüber, sondern er schöpft
aus der untrennbaren Einheit mit diesem Weltgeschehen
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