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Ein Spukhaus in Stuttgart.
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eignen und welche ohne weiteres jeder Erklärung zu spotten
scheinen. In dem betreffenden Hause wohnt in der zweiten
Etage eine Familie, deren einer Sohn seit längerer Zeit
merkwürdige Vorgänge beobachtet, die er bisher auf natürliche
Weise sich nicht zu erklären vermochte. Eine Autosuggestion
ist hierbei ausgeschlossen, da auch die übrigen
Familienangehörigen die rätselhaften Erscheinungen beobachtet
haben. Im übrigen sollen auch frühere Inhaber
der betreffenden Wohnung dieselbe in ganz kurzer Zeit
wieder verlassen haben, weil sie in Anbetracht der fraglichen
Erscheinungen sich in der Wohnung nicht wohlfühlen
konnten, wobei sie leider aus Furcht, sich lächerlich zu
machen, nähere Angaben über das Erlebte nicht gemacht
haben, sondern es bei Äußerungen allgemeiner Art bewenden
ließen. Die Erscheinungen treten stets in derselben
Weise und in demselben Zimmer auf. Letzteres ist einem
Sohn der Familie zugewiesen; der betreffende Herr ist ein
wissenschaftlich gebildeter junger Mann und in keiner Weise
abergläubisch. Zu gewissen Zeiten, hauptsächlich spät in
der Nacht, beobachtet derselbe plötzlich ein Geräusch, als
wenn ein großer Hund auf dem Boden des Zimmers, mit
den Füßen stark auftretend, umherginge, oder er gewahrt
das Geräusch, als wenn ein Tier vom Stuhl auf den Boden
spränge. Der nicht furchtsame Herr warf wiederholt nach
der Stelle des Geräusches^ doch hörte dasselbe nicht auf.
Es ist auch vorgekommen, daß er neben dem Geräusch der
Hundetritte auch noch die schweren Tritte eines Menschen
hörte, der, vom Stuhl aufstehend, denselben rückte, durch
das Zimmer ging und sich zur Türe hinausbegab, wobei die
Hundetritte, deutlich unterschieden, dem Menschentritt nachfolgten
. Trotzdem, daß die Türe verschlossen war, gingen
die Schritte auch dann weiter, als der Beobachter rasch
aufstand, die Türe öffnete und sich ins Nebenzimmer begab.
Auch im Nebenzimmer wurden die Schritte ganz deutlich
wahrgenommen, bis sie dann in der Zimmermitte plötzlich
verschwanden. Vom anderen Zimmer wurde nun die Türe
von Familienangehörigen geöffnet und der Herr gefragt,
was er denn da mache, da man glaubte, daß die Tritte,
resp. das Geräusch von ihm verursacht würden.
Es ist meinem Berichterstatter auch wiederholt vorgekommen
, als blättere jemand in auf dem Tisch liegenden
Papieren. Ebenso kann er zeitweilig des Nachts keinen
Schlaf finden, ohne sich den Grund hiervon erklären zu
können, da er sich sonst eines vorzüglichen ungestörten
Schlafes erfreut. Dann und wann, allerdings sehr selten,
hatte er das Gefühl, als wenn ihm jemand e?nen kühlen
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