http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1909/0737
Samuel: Untersuchungen über das Problem des Transszendentalen. 733
das reine Wissen in sich hervorzurufen versucht, nicht zu
verletzen, muß seine eifrigste Sorge sein. Tut er das doch
dann entstehen falsche, leere und leicht zu erlangende Abstraktionen
, die weder sein Bewußtsein vertiefen, noch die
Erfahrung reinigen können. Gelingt es ihm dagegen, jene
merkwürdige Verbindung von Abstraktion und Keflexion
herzustellen, die alles wahre Spekulieren auszeichnet und
die ganze Lebendigkeit des echten Allgemeingültigen mit
sich führt, dann vollendet sich ihm das Bild des Transszendentalen
, dieses Urgrundes alles Seins, immer mehr,
und mit desto größerer Sicherheit darf er schließlich dazu
übergehen, das bloße Bild, als Veranschaulichtes, in die
Tiefe seines unmittelbaren Bewußtseins aufzulösen. Dann
ist die Geburlsstunde eines neuen Bewußtseins erschienen,
das bestimmt ist, den Menschen das Fremde, das ihnen in
den Objekten gegenübersteht, immer weniger fremd zu
machen. Wenn der Denker einen neuen Bewußtseinsinhalt
in das Ubergreifende seines unmittelbaren Wissens verflüchtigt
, dann ist immer die Zeit gekommen, wo er unter
dem Eindrucke dieser Manifestation in göttlicher Einfalt weissagt
und der Menschheit die ewigen Wahrheiten verkündigt.
Welche neue besondere Bestimmung trägt nun die
Grundtatsache des Spiritismus zu demjenigen Bilde des
Transszendentalen bei, das wir jetzt schon besitzen? Das,
was uns das Phänomen der Geburt zu denken gibt, liefert
uns ähnliche Bestimmungen und ist für jene ein natürlicher
Anknüpfungspunkt. Die Geburt eines Menschen und das
Bilden eines Spirits haben das miteinander gemein, daß bei
beiden das Transszendentale, insofern es der Grund unserer
Individualität ist, unmittelbar in die Sinnenwelt einzutreten
scheint. Hier sind wir diesem Besondersten also schon sehr
nahe gekommen. Vollends springt es heraus, wenn wir
bedenken, daß ein Spirit Gestalt und Charakter eines verstorbenen
Menschen annimmt. Gründen wir hierauf
unsere Gedanken vertief ung, dann verdanken wir diese nur
dem Spiritismus, dann hat der Spiritismus einen besonderen
Beitrag zur Vervollkommnung des Bildes geliefert
, das wir auf Grund der übrigen Metaphysik uns vom
Transszendentalen mit kritischer Vorsicht zu machen berechtigt
sind. Was können wir nun auf diesf* Grundtatsache
gründen, d. h. was können wir nur durch diese Grundtatsache
wissen, was können wir nie ohne sie wissen?
Fiele in unsere Erfahrung die Wiederentstehung eines
verstorbenen Menschen, so wie wir sie kennen und in spiritistischen
Zirkeln erleben, nicht hinein (wobei ich die Echtheit
der Tatsachen, die so vorzügliche Männer wie Aksakow,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1909/0737