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Samuel: Untersuchungen über das Problem des Transszendentalen. 737
telligible Grund meiner Besonderheit ist. Was in dieser
Substanz noch mehr als gerade dieses Individuierende enthalten
ist, ließen wir mit voller Absicht außer acht, obgleich
durch dieses überspringen aller Zwischenglieder die
Unzulänglichkeit entsteht, nicht vorstellen zu können, wie
diese Keime mit der Substanz verbunden sein möchten.
Aufs genaueste stimmen die leeren Stellen, die wir in
unserem Bilde bemerken, mit dem überein, was wir außerhalb
dieser Spekulation ließen, und so muß es bei dem vorgestellten
Transszendentalen auch sein.
Wenn ich jetzt den letzten Schritt wage und mich daran
erinnere, daß diese die Keime meines Ichs enthaltende
Substanz nur ein Bild ist, aber keine Existenz, die ein
Transszendentes wäre, dann kann ich bei dieser einzigniög-
Jichen und echten .Reduktion auf das Transszendentale von
vornherein erwarten, daß sie mir in diesem Aufsatze, wo
ich von so vielem Wichtigen abstrahieren mußte, nicht das
leistet, was Metaphysik leisten soll, eine allgemeine Bewußtseins
-Vertiefung, sondern nur eine solche in demjenigen
Punkt, der mit dem Einzigartigen des Spiritismus zusammenhängt
, eine Bewußtseins-Vertiefung über das Problem
der Seelenunsterblichkeit. Und so wage ich denn
auszusprechen: durch diese Reduktion auf das Transszendentale
weiß ich unmittelbar, daß ich mir meine Unsterblichkeit
nicht so vorstellen darf, als ob von mir ein abgetrenntes
, feinstoffliches Individuum ewig erhalten bliebe,
daß meine eingebildete Sehnsucht nach einem „Wiedersehen
im Jenseits* ein Gefühl ist, das an die Erhabenheit meiner
wahren Unsterblichkeit nicht heranreicht, daß das ganze
Bild, das man im Namen des Spiritismus vom Jenseits entwerfen
zu dürfen glaubt, falsch ist. Dieses Bewußtsein
setzt mich in die Lage, das Wie meiner Unsterblichkeit
besser und würdiger vorstellen zu können, als vorher.
Uberlasse ich mich ganz der Stärke dieses Bewußtseins,
dann liegt manches klar vor mir, was mich vorher beunruhigte
und beängstigte: ich weiß nun, daß meine Gedanken
nicht bei einem einzelnen unsterblichen Subjekt
stehen bleiben dürfen, daß ich weiter schreiten muß bis dahin
, wo der Grund meiner Einzelheit liegt, wo ich an das
metaphysisch Letzte angeknüpft bin. Ein unsterbliches
Individuum kann nicht ein metaphysisch Letztes sein, ich
kann mich nicht damit befriedigen, hier stehen zu blieben: es
gibt nur ein metaphysisch Letztes, für das wir in unserer
Sprache nur einen Namen haben: Gott;*) das führt zum
*) Bei der Art, wie wir hier zu Gott gelangen, lassen wir eine
große Lücke offen, die nur durch die Lösung des oben angedeuteten
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