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28 Psychische Stadien. XXXVII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1910.)
ihnen kein Erfolg beschieden. Und St. Germain, der selbst
finanziell dabei interessiert war, geriet in Schulden. Er
starb unfähr 20 Jahre nach seinem ersten sicher beglaubigten
Auftreten in Paris zu Eckernförde, umgeben von hilfreichen
Duennen. Die Ausstrahlungen ihrer Jugendkraft sollten
den Alternden vor dem Verfalle schützen. Es wäre möglich,
daß er sich dieser Panacee schon früher bedient und auch
dadurch sich konserviert hatte.
Die Frage ist nun, was hat diesem ungemein harmlosen
, ja man möchte beinahe sagen beschränkten Abenteurer
den Ruf eingetragen, ein Adept zu sein? Sein Repertoire
war sehr wenig umfangreich. Er wußte, wie Grleichen
mitteilt: „emphatisch und mysteriös zugleich über die Geheimnisse
der Natur zu sprechen und erregte in der Einbildung
ein unsicheres und dunkles Gefühl bezüglich der
Große seines Wissens, seiner Schätze und seiner adeligen
Herkunft." Wenn er von seiner Jugend erzählte, so malte
er sich „umgeben von zahlreichem Gefolge, promenierend
auf herrlichen Terrassen in einem köstlichen Klima, als sei
er Erbprinz eines der maurischen Könige von Granada gewesen
.tt „Er verstand es, die Wunder seiner Erzählungen,
gemäß der Empfänglichkeit seiner Zuhörer, zu dosieren.
Wenn er einem Dümmling eine Begebenheit aus der Zeit
Karls V. erzählte, so vertraute er ihm unumwunden an,
daß er dabei gewesen sei. Sprach er mit einem minder
Leichtgläubigen, so begnügte er sich, alle, auch die kleinsten
Umstände, die Mienen und Gesten der Anwesenden, bis auf
das Zimmer und die Stelle, die sie eingenommen hatten,
mit einer Genauigkeit und Lebhaftigkeit zu beschreiben,
daß man den Eindruck hatte, einen Mann zu hören, der
gegenwärtig gewesen war.44*) Diese und noch einige
andere rednerische Tricks verhalfen ihm zu dem billig erworbenen
Staunen einiger weniger Wundergieriger. Im
groß.en Ganzen war er nur eine momentane, schnell vergessene
Sensation einiger Salons. Seine Liebenswürdigkeit,
sein Talent zur Causerie, das Prickelnde seiner geheimnisvollen
Andeutungen zog an und man ergötzte sich eine
Weile an dem Sonderling. Das wfir alles. —
Was St. Germain bei der Nachwelt in den Geruch
eines Adepten brachte — denn die Mitwelt in der Gestalt
des Kurfürsten von Bayern war bereit, ihm diesen Titel
zu geben, lediglich auf die vermeintliche Tatsache hin, daß
er 200 Jahre habe, ohne danach auszusehen —, war die
Meinung, daß er mit Cagliostro und den Illuminatenlogen
*) Souvenirs de Charles-Henri Baron de Gleichen, S. 128 u. 123/4.
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