http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1910/0037
V
Clericus: Ein oberbayerisches Pfarrhaus als Spukhaus. 33
war abends, etwa 10 V« Uhr, als ich mich anschickte,
zu Bette zu gehen. Meiner Gewohnheit gemäß begab ich
mich zur Küche, um nachzusehen, ob die Türe richtig geschlossen
sei, da ich nicht will, daß der Hund in dieselbe
gelangen könnte. Ich fand dieselbe vollständig geschlossen.
Kaum hatte ich mich zur ersten Treppenstufe begeben, so
schlug die Türe mit großem Geräusch zu. Ich kehrte erstaunt
, aber völlig ruhig zurück, um zu sehen, ob etwa das
Küchenfenster offen wäre, an Zugluft denkend. Daß ich
unlogisch handle [weil er ja selbst soeben die Türe geschlossen
hatte], fiel mir damals nicht auf. Das Fenster
war geschlossen. Ich nahm die Türklinke zur Hand und
drückte sie zu. Kaum war ich aber wieder an der Stiege,
so schlug die Türe abermals mit größterVehemenz
zu, sodaß der Hund auffuhr und zu bellen begann. Ich kehrte
abermals um, konnte aber nichts wahrnehmen.
2) Ein ander Mal schlug das Gangfenster so heftig zu,
daß es den Anschein hatte, als läge es in tausend Trümmern
auf dem Boden. Als ich sogleich nachsah, fand ich das
Fenster ganz und richtig geschlossen. *) Da ich beide Male
wach, noch nicht zu Bette war, kann die Sache auf
Täuschung nicht zurückgeführt werden. Ich selbst bin eine
ruhige Natur,**) nicht leicht aus dem Gleichgewicht zu
bringen und in diesen Sachen sehr hartgläubig. Kwuziner-
pater J.***) wurde während der Nacht wach. Da ^ah er
eine schwarz gekleidete Person durch sein Zimmer gehen,
eine Kommode öffnen und einige Zeit darin suchen. Dann
verließ sie das Zimmer wieder. Er meinte, es sei eine Person
vom Pfarrhaus und beschwerte sich des anderen Tags.
Allein niemand hatte sein Zimmer betreten. — Das hatte sich
unter meinem Vorgänger ereignet, wurde mir aber vom
Pater selbst erzählt mit der Beteuerung, nie mehr in diesem
Pfarrhof übernachten zu wollen. Ich benedizierte das
ganze Haus und ist seit dieser Zeit, vier Jahre, nichts
Außergewöhnliches mehr vorgekommen. Daß heuer während
der Fastnachtstage (ich habe in diesen Tagen das 40-
stündige Gebet) Pater K. von G. einige Male Hilferufe
hörte und in der zweiten Nacht durch lautes Pochen, das
längere Zeit andauerte, erschreckt wurde, führe ich auf
irgend welche Sinnestäuschung zurück. Der Pater war zuvor
in Amerika und wußte von den Vorgängen im Pfarrhofe
nichts. Früher muß es wohl ziemlich arg gewesen
sein, da ein Pfarrherr ausgezogen ist und bei
*) Dasselbe Phänomen wurde auch von mir seinerzeit beobachtet
: vgl. „Psych. Stud* 1908, 8. 195; **) dies kann ich vollauf
bestätigen; ***) der zur Aushilfe in der Pfarrei war.. Ol.
3
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1910/0037