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66 Psych. Studien. XXXVII. Jahrgang. 2. Heft. (Februar 1910.)
Wunsch ausdrückte, eine Locke ihres Haares zu besitzen,
versprach sie mir eine solche und machte mir in der Tat
später eine zum Geschenk, die ich noch aufbewahre. Es
ist eine Locke von dunkelbraunem Haar, die sich in nichts
von natürlichem Haar unterscheidet.
Einige Zeit danach redete sie mich eines Abends auf
Spanisch an, obwohl sie diese Sprache nicht kannte. Sie
erklärte mir diese Sache dahin, daß ihr „Miguel Ruiz" (eine
andere, in diesem Zirkel auftretende psychische Persönlichkeit
) die Hand auf den Leib lege. Seit einiger Zeit genügt
es, um sie unsere Sprache sprechen zu lassen, daß das
Medium oder eine andere anwesende Person dies will, ein
Ergebnis, zu welchem wir nach verschiedenen Versuchen,
allmählich fortschreitend, gelangt sind. In derselben Weise
ist es uns gelungen, zwei Deutsche, welche kein Spanisch
verstanden, dies sprechen zu lassen; nur sprachen sie sehr
guttural und mit einer gewissen Schwierigkeit.
„Mary" behauptet Schriftstellerin gewesen zu sein; sie
hat einige Artikel auf Englisch diktiert, welche hohen seelischen
Schwung bezeugen. Sie materialisiert sich sehr gut
und hat uns mehrere Male erlaubt, sie zu umarmen. Daß
„Mary" sich gleichzeitig mit dem Medium beobachten läßt und
daher nicht mit demselben identisch ist, hatten die „Annales*
schon in ihrer Mainummer berichtet. Dort war geschildert,
wie „Mary* an einem stürmischen Abend die Flügel der
Glastüre öffnete und sich, neben dem Medium stehend,
mehrere Male deutlich sehen ließ, beim Scheine der Blitze,
welche sie selbst vorher ankündigte. So konnte man, wie
Herr A. Brenes sagt, ganz deutlich zur gleichen Zeit vom
Kopf bis zu de„ fü'ßin die Erscheinung^ das Medium
sehen/
Zwei Levitationen des Körpers des Phantoms.
Um sehen zu können, wie sich „Mary" in die Luft
erhob, zündeten wir eine kleine Lampe an, welche die
obere Hälfte ihres Leibes beleuchtete. „Mary" stieg so
hoch, daß sie mit ihrem Kopfe die Zimmerdecke berührte;
alsdann ließ sie sich rasch nieder, wünschte allen gute
Nacht und verschwand. Einige Augenblicke später öffnete
sich geräuschvoll das Fenster und „Mary" erschien aufs neue.
Man sagte ihr, sie solle sich nochmals in die Luft erheben,
und alsbald hob sie sich ungefähr 1 Meter über den Fußboden
und stellte sich, sich vorwärts neigend, auf einen
Tisch, von dem sie sofort aufs Parket heruntersprang, so
daß man sehr gut das Auftreffen auf dem Fußboden
hören konnte. —
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