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Iiiig: Gedankenübertragung.
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18. XII. v. J.). Dieses Zeugnis fällt für uns um so schwerer
ins Gewicht, als wir Herrn Iiiig seit Jahren als absolut zuverlässigen
Charakter und zugleich als scharfsichtigen, minutiös
vorsichtigen Beobachter von hervorragend praktischem
Geschick persönlich kennen, dessen Skeptik erst vor
den Tatsachen kapitulierte, als es sich schon vor längerer
Zeit herausstellte, daß er selbst — der frühere Gegner —
stark medial veranlagt ist. Er schreibt nun unter obiger
Uberschrift in seinem weitverbreiteten, radikal demokratischen
Blatt, was folgt:
„Ist die Übertragung von Gedanken auf andere mögliche
Ist es möglich, daß durch einen besonderen Willensakt
oder ganz zufällig, in Zuständen hochgradiger Erregung,
wie vor einem plötzlichen Tod, die menschlichen Gedanken
fernwirkend in die Weite getragen und irgendwo von einem
anderen Menschengehirn aufgefangen werden, wie die elektrischen
Wellen bei der drahtlosen' Telegraphie, daß der
Empfänger in Gestalt einer Ahnung oder eines Traumes
erfährt, was in der Ferne geschehen ist ? Diese Frage wird
seit alten Zeiten und seit einer Reihe von Jahren erneut
wieder gestellt und findet ihr gläubiges, wie ihr zweifelndes
Publikum. Erst vor wenigen Monaten haben in Berlin die
Professoren M. Dessoir und Dr. Moli Experimente mit einigen
Personen angestellt," die vorgaben, in der Lage zu sein,
jeden gewünschten Gedanken sich gegenseitig ohne irgend
welches äußere Zeichen zu übermitteln. Die Versuche gelangen
vollständig, wenn die Versuchspersonen in einem
und demselben Zimmer waren. Sie wurden dann in der
Weise wiederholt, daß die Übertragung durch eine Wand
hindurch stattzufinden hatte. Auch hier gelangen die Versuche
vollständig. Gleichwohl waren die genannten Professoren
nicht davon überzeugt, daß es sich um eine wirkliche
Gedankenübertragung handle. Sie setzten vielmehr
irgend einen Kunstgriff voraus, irgend ein verabredetes
Zeichen, ohne daß sie freilich in der Lage gewesen waren,
wie sie selber zugestehen mußten, irgend etwas von einem
Zeichen bemerkt zu haben.*) Die Schulweisheit von heute
sträubt sich eben immer noch, genau so wie früher, gegen
alles, was nicht in ihren Kähmen paßt, und wenn es auf
sie angekommen wäre, dann hätten wir heute noch keine
Elektrizität; denn es ist bekannt, welchen Spott aus dem
Munde von Schulgelehrten Galvani über sich ergehen
lassen mußte, als er in den zuckenden Froschschenkeln
eine neue Kraft entdeckt zu haben behauptete. Man
*) Vergl. Nov.-Heft 1908, S. 656 ff. — E e d.
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