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110 Psych. Studien. XXXVII. Jahrg. 2. Heft. (Febrnar 1910)
meinem Staunen, wie B. von jeder Nuance und Schwankung
meiner Gedanken fortgesetzt beeinflußt wurde, wie
wenn ich selbst an seiner Stelle manipulieren würde. Da
ich ihn zunächst nach der rechten Tasche meines Begleiters
dirigiert hatte, dessen Kockfltigel zufällig zurückgeschlagen
war, geriet er an die Weste. Sofort dachte ich, B. müsse
den Arm meines Begleiters zuvor emporheben und den
Rockflügel erst hervorholen. Gedacht, getan! Auch in
den übrigen Handlungen ging er genau die Wege, die ich
ihm in Gedanken zeigte, wie er auch stockte, wenn ich mit
den Gedanken stockte. Ich gab ihm eine ganze Anzahl
von Zwischenbefehlen, die außer mir kein Mensch zuvor
kannte, auch mein Freund nicht — und alle wurden
mit exakter Promptheit ausgeführt, so daß für
mich jeder Zweifel vollkommen ausgeschlossen ist, daß hier
eine tatsächliche Gedankenübertragung stattfand, für die es
bis jetzt keine Erklärung gibt und für die nur wegen der
Ähnlichkeit des äußeren Verlaufs die drahtlose Telegraphie
in Betracht kommt. Es bleibt nur die eine Annahme übrig,
daß sich die Gedanken in Schwingungen umsetzen, als
solche in den Kaum hinausgetragen, von einer anderen Person
aufgefangen und von dieser wieder in Gedanken umgesetzt
werden. Diese Annahme würde dann dem Amerikaner
Trine Recht geben, der die Gedanken für Kräfte
erklärt, die, ohne daß sie ausgesprochen werden, Heil oder
("nheil in der Welt anrichten können, weshalb er verlangt,
dai der Mensch stets nur schöne und gute Gedanken
haben und sich gegen schlechte wappnen solle. Sie würde
aber auch ein überraschendes Licht auf die sogenannten
psychischen Epidemien und auf die ITnbesiegbarkeit des
Wahnes werfen, der sich einmal in den Massen festgesetzt
hat, von diesen fortwährend wieder gedacht und als vibrierende
Kraft stets erneut ausgeschickt wird, um auf diese
Weise dem Wahn zum ewigen Leben zu helfen, wofern ihn
nicht stärkere Individuen allmählich zu besiegen vermögen.
Jedenfalls gewinnt in dem Licht dieser Hypothese die sogenannte
.geistige Wellenbewegung«, die den jeweiligen
Zeitgeist gebiert, ein ganz besonderes Interesse.*
Psychologie. Von William James, Prof. an der Harvard-
Universität. Übersetzt von Dr. Marie Dürr, mit Anmerkungen
von Prof. Dr. E. Dürr.
Dieses nun auch in deutscher Sprache im Verlag
von Quelle u. Meyer in Leipzig, 1909 (geheftet
7 M., gebunden 8 M.) erschienene Buch von James
werden alle, die an der psychischen Forschung inter-
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