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164 Psychische Studien. XXXVII. Jahrg. 3. Heft. (März 1910.)
erworbene Fertigkeit in der Erzeugung identischer Persön-
keitsformen nach und nach verliert.
Gewisse spiritistische Erfahrungstatsachen weisen darauf
hin, daß die Individualität durch den Vorgang, den
man als aToda bezeichnet, nicht plötzlich alles Persönliche
verliert.
Dieses zeitweilig Bleibende der Persönlichkeit und die
Fähigkeit, dasselbe physisch zu rekonstruieren, bietet die
einzige Möglichkeit, physikalische Identitätszeugnisse Verstorbener
zu erlangen, vorausgesetzt, dal» sie willens und
in der Lage sind, dieselben zu geben.
III Abteilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Zur Psychologie der Ameisen. *)
Die Frage nach der Seele der Tiere beschäftigt
seit über drei Jahrhunderten philosophische und wissenschaftliche
Köpfe. Die Anschauung von den Tieren als
rein maschinell reagierenden Automaten, die einst Descartes
vertreten und der auch Buffon noch ein wenig huldigte, ist
heutzutage aufgegeben. Besonders im Leben und Fühlen der
Insekten hat man längst Analogien zu menschlichen Verhältnissen
aufgefunden, und nicht nur in der Fabel des XVIII.Jahrhunderts
, sondern auch in wissenschaftlichen Büchern Biene
und Ameise als vorbildlich für unser eigenes Tun hingestellt
. Die Studien über Bienen von Hub er, noch zuletzt
das schöne Buch des Dichters Maeterlinck,
Berthelot's „Stadtgründungen der Ameisen" haben ein
überraschendes Bild von der Kompliziertheit und Feinheit
des Insektenlebens geboten. Neuere Entomologen neigen
jetzt der Ansicht zu, daß die Insekten und vor allem die
Hautflügler Eindrücke mit ihren Sinnen aufnehmen, ganz
analog der Art, wie wir das selbst tun, daß die Spuren
dieser Eindrücke durchaus nicht verschwinden, sondern den
wirbellosen Tieren die Bildung von Assoziationen, wie uns
selbst, gestatten und ihnen eine Beurteilungsfähigkeit er-
*) Wir entnehmen dieses sehr beachtenswerte, wegen leidigen
Baummangels seither zurückgestellte Eeferat dem „N. Wiener Journal
" vom 80. XII. 05. — Eed.
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