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166 Psychische Studien. XXXVII. Jahrg. 3. Heft. (März 1910.)
sekt seine so erstaunlichen Arbeiten ausführen, wenn man
nicht eine beständige Anteilnahme des Verstandes voraussetzen
will? Miß Fields hat sich die Aufgabe gestellt,
dieses Problem zu lösen. Nach ihrer Meinung repräsentiert
der Fühler die ganze Ameise, und in dem Fühler ist es
wieder der Geruchssinn, der allein arbeitet. Der Fühler
der Ameise ist viel komplizierter, als bei jedem anderen
Tiere der gleichen Gattung; er setzt sich aus einzelnen Gelenken
zusammen, die zwischen vier und dreizehn schwanken
und von denen ein jedes als Geruchsapparat seine besondere
Funktion hat. Diese verschiedenen Aufgaben der
verschiedenen Gelenke des Fühlers hat Miß Fields zuerst
erkannt und durch Beobachtungen an der gewöhnlichen
braunen Ameise erläutert. Diese braune Ameise hat Fühler
von zwölf Gelenken, von denen jedes eine bestimmte Funktion
zu erfüllen hat. Das oberste, letzte und am stärksten
ausgebildete Glied ist der „Geruchssinn für die Wohnung".
Wenn man das Tier von seinem Nest beträchtlich entfernt,
so genügt es ihm, um sich zurückzufinden, seine Fühler zu
gebrauchen. Es nimmt vermöge dieses Gelenkes den Geruch
seiner eigenen Wohnung auf, der ihm durch die Luft
zugetragen wird und sich für seine feine Empfindung von
jedem anderen unterscheidet. Versetzt man dagegen die
Apieise in ein anderes Nest, so sträubt sie sich sehr dagegen
, weigert sich hineinzugehen, und wenn man sie gewaltsam
einschließt, verbirgt sie sich, denn sie empfindet
einen Geruch, der ihr ungewöhnlich und daher feindlich
erscheint. Entfernt man auf operativem Wege dieses
zwölfte Gelenk, so wird die Ameise nach der Heilung sich
ruhig in jedes beliebige Nest versetzen lassen; sie ist für
die eigentümliche Empfindung, ihr eigenes Nest zu riechen,
völlig abgestumpft. Das vorletzte Glied ist der „Geruchssinn
für die Familie44. Die Ameise vermag dadurch die
Mitglieder ihres Stammes zu erkennen und fremde Eindringlinge
zu unterscheiden. Sie nähert sich jeder anderen
Ameise, die eintritt, und wittert ihren Geruch. Wenn es
eine Freundin ist, so empfängt sie sie freundlich; zeigt ihr
aber die Witterung eine Unbekannte an, so stellt sie sich
kampfbereit auf. Durch Amputation dieses Gelenkes läßt
sich seine spezielle Bestimmung ebenso wie die der ersten
und aller anderen Gelenke exakt beweisen. Das vor vorletzte
Gelenk verleiht dem Insekt die Fähigkeit, seine
eigene Fährte zu wittern und ieden Weg, den es gemacht
hat, wieder zurückzufinden. Selbst wtnn man luf ihre
Fährte Erde streut, findet sie noch durch diesen „Sinn der
Orientierung" den von ihr gemachten Weg heraus. Die
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