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208 Psychische Studien. XXXVII, Jahrg. 4. Heft. (April 1910.)
Etwas anderes ist es mit dem Bildzauber. Dem Bilde,
das der Zaubernde aus Wachs, Erde, Holz oder Metall von
dem zu Bezaubernden fertigt und das er unter stärkster
Konzentration auf die Geliebte fertigen muß, fügt er stets
ein Teilehen (Haare oder Nägelabschnitte) vom Körper der
Betreffenden ein. Oder er bringt das Bild zunächst mit
der Person in Berührung, indem er es unter ihrer Hausschwelle
oder in der Nähe eines Ortes, wo sie häufig weilt,
verbirgt. Auch genügt es, wenn er es mit ihren Absonderungen
schwängert, indem er es damit wäscht oder auch
nur in einen vom Schweiße oder vom Menstrualblute durchdrängten
Lappen einhüllt. Die in dieser Weise Liebeszauber
übende Frau wird vornehmlich darnach trachten,
einen beschmutzten Hemdteil des Geliebten zu erlangen.
In allen diesen Fällen nun liegt der Hauptwert in der
mehr oder weniger vollkommenen Anfüllung des Bildes mit
den Essentien der oder des Geliebten.
Auf Grund dieser Anfüllung ist, wie die Experimente
de Rochas* über die Nachaußenverlegung der Empfindung
erwiesen haben, das Bild in Beziehung zu dem Menschen,
den es darstellt, gesetzt. Alles, was nun mit dem Bild getan
wird, verspürt der Mensch an seinem Leibe. RocIüh
und nach ihm Prof. Luys und neuerdings Durville, der
Direktor der „Ecole de Magn£tismetf zu Paris, haben festgestellt
;, daß beim Menschen im hypnotischen oder magnetischen
Schlafe Fluide austreten, die sich um den Körper
oder auch in dessen Nähe in Schichten sammeln. Während
dieses Vorganges wird der Körper allmählich immer unempfindlicher
und ist zuletzt ganz empfindungslos. Er reagiert
jedoch auf Berührungen, die man gegen die ausgetretenen
Fluide richtet. Bringt man nun in diese Schichten
irgend welche Dinge hinein, so scheinen diese von der
exteriorsierten Substanz je nach ihrem Umfange, nach der
Länge ihres Verweil ens in derselben und wohl auch nach
dem Stoffe, aus dem sie bestehen, mehr oder weniger aufzusaugen
. Denn erweckt man nach dem den Schläfer, und
verletzt ein dritter das Bild, ohne daß die Versuchsperson
und der Experimentator sehen oder wissen wro, so empfindet
die Versuchsperson an der korrespondierenden
Stelle des Körpers den Schmerz, der ihr oft laute Schreie
auspreßt Zuweilen zeigen sich auch, wie Rochas beobachtet
hat, entsprechende Male. Die Berührung der mit
den exteriorisierten Fluiden geschwängerten Substanz empfand
die Versuchsperson auch dann, wenn sie längere Zeit
nach dem Versuche und ganz unabhängig von diesem und
ohne ihr Wissen vorgenommen wurde. Von irgend welcher
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