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274 Psychische Studien. XXXVII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1910.)
Schall, objektiv betrachtet, die Bewegungungsenergie, durch
welche infolge der Schwingungen von Stoffmolekülen, die
je nach Umständen Luft- oder Wassermoleküle oder solche
fester Körper sein können, die Schallempfindung verursacht
wird, ebenso wie das Licht eine Folge von elektrischen
Wellen ist, die sich durch den Äther fortbewegen, indem
sie dabei im elektro-magnetischen Zustande seiner Partikelchen
eine periodische Veränderung bewirken, welche dem
Auge als solche nur offenbar wird, wenn ihre Schwingungen
, die sich innerhalb festbestimmter Grenzen halten,
eine gewisse Geschwindigkeit erlangen.
Diese Form von molekularer Energie, welche wir als
Schall interpretieren, ist gleich allen übrigen Formen von
strahlender Energie unvernichtbar, obgleich sie in
andere Energieformen umgewandelt und aus ihnen wieder
in Schall rückverwandelt werden kann. Wir haben diese
Form von Energie in Arbeit umgesetzt, wenn eine vibrierende
Stimmgabel, an deren einer Zinke ein spitziger Stift
befestigt ist, auf einem mit Lampenruß geschwärzten
Papier, das auf einer sich drehenden Walze läuft, eine
Kurve ihrer Schwingungen beschreibt. Eine ähnliche Umwandlung
beobachten wir, wenn ein Diaphragma, das unter
dem Einflüsse von Schallwellen vibriert, derart auf eine
mit einem scharfen Stifte versehene Feder einwirkt, daß er
veranlaßt wird, auf dem Wachszylinder eines Phonographen
diese Bewegungen zu registrieren (einzuzeichnen); und
ebenso ist es uns bekannt, daß, wenn dieser Vorgang umgekehrt
wird, indem man die bereits gezogenen Furchen
von einem Stift mit abgestumpfter Spitze nochmals durchlaufen
läßt, der Schall wieder erzeugt werden kann. Zudem
schließen wir, da der Schall, vom Gehörsorgan getrennt
, als solcher keine Existenz besitzt, daß diese Art
von Molekularbewegung, indem sie sich unserem Bewußtsein
kundgibt, in Nervenenergie umgesetzt werden
muß, was diese auch sein möge.
Wir wollen nun die Beziehungen betrachten, welche
zwischen Schall und Elektrizität vorhanden sind, da die
letztere infolge ihrer nahen Verwandtschaft mit Licht und
möglicherweise auch mit Nervenenergie ein höchst wichtiges
Glied in dieser physischen und psychischen Verwandtschaft
bildet, welche, nach meiner Meinung, zwischen Schall und
Musik einerseits und Licht und Farbe anderseits besteht.
Im Telephon haben wir ein Beispiel von der Verwandlung
der Energie des Schalles in eine solche der Elektrizität,
welche, nachdem sie sich in einem Drahte eine beliebige
Strecke fortbewegt hat, wieder als Schall hervorgebracht
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