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Kaindl: Zu Eusapia's neuester „Entlarvung*. 295
des Tellurismus* einige Stellen an, welche die in niederen
somnambulen Zuständen bestehende Neigung zu Täuschung
und Betrug behandeln:
(§ 358, S. 467). „In jeder Lebensform giebt es nämlich
ferner, wie eine höhere (allgemeine) Richtung, so eine niedere
(besondere), und so auch im Somnambulismus, und es liegt
in dem Wesen des Nachtlebens, daß sich diese niedere Richtung
, der Egoismus des Nachtlebens, oft mit enormer Stärke
ausbildet. Auf diese hat der Magnetiseur vorzüglich Aufsicht
zu führen, und muß sie, wenn sie auftritt, durch seine
beherrschende Intelligenz in ihre Schranken zurückweisen.
(Beim Medium vertreten die Zirkelteilnehmer den Magnetiseur
! A. K.) Der reinste Somnambul kann in diese Richtung
verfallen, und um so mehr, je höher und selbständiger sich
sein psychisches Nachtleben entwickelt. Zu den Erscheinungen
dieser niederen Richtung zählen wir nun vorzüglich
Eitelkeit und Gefallsucht, Neigung zur
Täuschung und zum Betrüge, und das Auftreten
des eigenen Willens, welcher den Willen des Magneti-
seurs sich zu unterwerfen sucht.
Der reine Somnambul ist gleich dem unschuldigen
Kinde und dem reinen gemüthlichen Menschen naiv, ohne
über sich und seine Fähigkeiten zu reflektieren und sie mit
den Fähigkeiten anderer vergleichen und nach ihrem Werthe
schätzen zu wollen. Entsteht Reflexion seiner selbst und
wird diese durch Bewunderung der Fähigkeiten des Som-
nambuls vom Magnetiseur oder von andern genährt und
höher ausgebildet, so tritt leicht die Sucht auf, seine Vorzüge
bei andern geltend zu machen, da, wie beim Weibe
und beim schwachen Kinde, die Intelligenz zu schwach ist,
um den wahren Werth schätzen zu können, und da es dem
Somnambul nicht möglich ist, daß alle seine Fähigkeiten,
wenn sie auch relativ höher sind, als die des wachenden
Lebens, im Allgemeinen doch immer unter diesem stehen.
Vorzüglich leicht tritt dies ein bei hellsehenden Somnambulen
, deren Vorschriften zur Heilung selbst vom Magnetiseur
befolgt werden, indem hier der Somnambul sicfr
faktisch über dem Magnetiseur stehend erblickt. Bewunderung
der neuen Fähigkeiten, Erregung ihrer Aufmerksamkeit
auf dieselben, erzeugt daher bei Somnambulen leicht Eitelkeit
und die Sucht, den eigenen Werth bei andern zu
erhöhen und von andern anerkannt zu sehen, also Gefallsucht
, welche Produkte der Reflexion nicht nur die Unschuld
des naiven somnambulen Lebens stören, sondern
wie die Erfahrung gelehrt hat, die Somnambulen auch zu
Mitteln verführen, diesen eingebildeten Werth bei andern
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