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Literaturbericht. 307
vorliegende ein glänzender Beweis. Man wird es mit seiner
schlichten, aber gediegenen Ausstattung, mit schönem, leichtem,
glanzlosem Papier und klarem, gleichmäßigem Antiquadruck gern
in die Hand nehmen, — dann aber auch nicht leicht wieder weglegen
, ohne seinem Inhalte mit immer wachsender Teilnahme gefolgt
zu sein. Es bietet nicht etwa, wie man dem Titel nach
vermuten könnte, eine neue Fassung der materialistischen Glaubenslehren
oder eine Begründung der „monistischen" Anschauung, daß
der Mensch nur das derzeitige Endglied in der mechanischen Ent-
wickelungsreihe der „übrigen" Tiere sei; es zeigt vielmehr, daß die
Tiere, wie nahe verwandt sie auch dem Menschen leiblich sein
mögen, nicht Wesen gleicher Art sein können: „denn je mehr wir
erkennen, was die Gegenwart des Wortes — des JLogos — im
Menschen in sich schließt, desto klarer wird der Grund, warum er
in der Welt allein steht1*; er allein besitzt ja die wunderbare Gabe
verständlicher und vernünftiger Kede Sehr klar und eingehend
wird die physiologische Seite der Sprache erörtert, die Lokalisierung
der Organe für das gesprochene, das gehörte und das gelesene
Wort im Gehirn (iiubtiger in einer Hälfte des Gehirns) dargelegt,
die gesamte Nerventätigkeit in ihrer Wechselwirkung mit der Außenwelt
betrachtet und nachdrücklich hervorgehoben, daß es nicht das
Gehirn ist, was eine bedeutende Persönlichkeit bedingt, sondern
daß die Persönlichkeit sich das Gehirn schafft. Was den Menschen
von allen anderen irdischen Lebewesen unterscheidet, ist sein Wille,
und sein Wille ist es, der ihn verantwortlich macht. — So weit die
körperlichen Funktionen automatisch sind. verursachen sie keine
Ermüdung. Diese ist die Folge der durch den Willen hervorgerufenen
, bewußten Tätigkeit Im Schlafe, welcher durch die Ermüdung
bedingt ist, hört die Willenstätigkeit auf. Die Seele erscheint
zeitweilig vom KöFper getrennt Und ebenso ist es im
Tode. Wenn aber die Abwesenheit der Persönlichkeit während des
Schlafes keine Ausiöschung bedeutet, sollte sie diese Bedeutung im
Tode haben ? Keiner glaubt es wirklich: „der Glaube an ein Hiernach
gehört so zur Menschenart, wie die Fähigkeit der Sprache *
Werne kke
Die vier Evangelien. Deutsch, mit Einleitung und Anmerkungen von
Dr. Heinrich Schmidt (Jena). Leipzig, Altred Kröner Verlag
. Taschenausgabe. In Leinwand geb. Preis 1 M.
In der Einleitung die landläufigen Schmähungen gegen die
katholische Kirche und die „Lutherkirche*, und dann eine deutsche
Übersetzung der vier Evangelien. Auch ein Buch!
Wienhold.
Der Charakter, Von Samuel Smiles Deutsch von Dr. Hein-
richSchmidt (Jena). Leipzig, Alfred Kröner Verlag. Taschenausgabe
. In Leinwand geb. Preis 1 M.
Ein in England und Deutschland außerordentlich weit verbreitetes
Buch tritt hier in neuem Gewände auf. Es bietet eine
gesunde Kost, ist nicht sehr geistreich, will nicht blenden und überraschen
, aber ergreift den Leser durch die Fülle aus Büchern geschöpfter
trefflicher Lebensweisheit. Durch einige vom Herausgeber
bewirkte Kürzungen hat das Buch gewonnen.
W i e n h o 1 d.
Eduard Winter: Jenseits und Diesseits. Betrachtung. Berlin-Leipzig.
Modernes Verlagsbureau, Curt Wigand, 1910. 35 S. Klein b°.
Bietet nichts Neues. Eine moderne, auf naturwissenschaftlichbiologischer
Grundlage aufgebaute Ethik soll die „christlich-autori-
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