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336 Psychische Studien. XXXVII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1910.)
sind, daß die Töne der Tonleiter gleichfalls sieben sind
und daß die Erzeugung jeder Farbe und jedes Tones von
einer aufsteigenden Stufenfolge (Skala) von Schwingungen
in ihren besonderen Medien (Mitteln) abhängen. Obgleich
die Bedingungen, unter denen sie besonders erzeugt werden,
sehr verschiedenartige sind, haben sie doch vieles miteinander
gemein und weisen in vielen Stücken Analogien
auf. Außer daß sie Formen von strahlender Energie sind
und bestimmte Wellenlängen haben, sind sie auch, wie gezeigt
worden ist, der Verwandlung m andere Energieformen
und ebenso wieder der Rüekverwandlung fähig, und was
noch von größerem Belange ist, ihre Verwandlung von
einer Person in die andere kann sogar unmittelbar erfolgen.
Ist es alsdann nicht möglich, daß irgend ein arithmetisches
Verhältnis besteht zwischen der ungeheuren
Zahl von Ätherschwingungen, welche die verschiedenen
Farben darstellen einerseits und der relativ
geringeren Anzahl von gröberen Schwingungen, welche die
verschiedenen musikalischen Töne repräsentieren andererseits
? Solchenfalls würde, wenn wir die aufsteigende Tonleiter
hernehmen, der Ton D eine physische und psychische
Beziehung zu der Farbe Rot haben, E zu Orange, F zu
Gelb, G zu Grün, A zu Blau, B zu Purpur und C zu Violett.
Wir wissen, daß in der Musik die Töne mit Bezug
auf das angenehme Gefühl, welches sie in uns zu erregen
geeignet sind, in Betracht kommen, und daß ein Ton, um
harmonibch zu sein, die Eigenschaft besitzen muß, eine anhaltende
und gleichmäßige Empfindung auszulösen, deren
Schwingungsgrad sich bestimmen läßt. Die einzige Bedingung
, die zur Erzeugung eines harmonischen Tones erforderlich
ist, besteht darin, daß die individuellen Eindrücke
mit hinlänglicher Geschwindigkeit in gleichen
Zeitintervallen (Abschnitten) einander folgen. Es kommt
mir nicht unwahrscheinlich vor, daß das, was sich im Falle
der psychischen Wirkung der Musik als tatsächlich erweist
, sich mit den Farben ebenso verhalten kann; und, obgleich
die Luftschwingungen im Falle des Schalles und
der lichterzeugende Äther im Falle des Lichtes bei dem
objektiven Hören und Sehen die Mittel sind, welche den
erforderlichen Grad von stimulierender Geschwindigkeit
liefern, um in den kortikalen Nervenzellen der betreffenden
Gehirnzentren die verschiedenen Ton- und Farbenschwingungen
hervorzurufen, erscheint es doch nicht ausgeschlossen
, daß, wenn im Falle des subjektiven Hörens
und Sehens diese Reize fehlen, andere Reize, wenn sie mit
derselben Geschwindigkeit auf diese Nervenzellen treffen,
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