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840 Psychische Studien. XXXVII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1910.)
Zeit und des Baumes reich an Schönheit ist, und indem sie
durch diese jene innere Welt enthüllen, welche geistig, ewig
und unermeßlich ist und wovon die Dinge der äußeren
Welt nur das sichtbare Symbol sind.*) (Schluß folgt.)
Ernst Haeckel's „Stammesgeschichte des
Bewußtseins'4.
Von Wilhelm von Schnehen, Fre'burg i. B.
(Fortsetzung von Seite 273.)
So glaubt Haeckel das bewußte Seelenleben als ein
Erzeugnis allmählicher Entwicklung erklären zu können:
als eine Lebenstätigkeit der höheren Organismen , die im
Laufe vieler Jahrmillionen durch natürliche Züchtung erworben
und gleich allen anderen Lebenstätigkeiten am
letzten Ende auf physiko - chemische Geschehnisse zurückzuführen
sei (W. 75; V. I, 192; II, 293). Unbewußte
Seelenzustände sollen ihm die Brücke schlagen zwischen
der körperlichen Außenwelt des materiellen Daseins und
der geistigen Innenwelt des Bewußtseins. Und auf dieser
Brücke des unbewußten Empfindungslebens soll uns die
Entwicklungslehre ohne Sprünge, sacht und unmerklich,
hinübergeleiten von dem einen Reiche zum anderen.
*) In einer kurzen und interessanten Abhandlung, die von Mrs.
Northek Wilson (Flora Hayter) unter dem Titel „Farbe und Musik:
Farbe der Stimme" als ein Beitrag für T. P.'s Weekly vom 24. Mai
1907 geliefert wurde, findet sich zur Unterstützung der Voraussetzung
einer psycho-physischen Beziehung zwischen Musik und Farbe
folgende Stelle aus Isaak Newton's Optik angeführt: „Die Breiten
der sieben Elementarfarben, wie sie durch Brechung eines Sonnenstrahls
mittels eines Prismas erhalten werden, sind den sieben
Längenunterschieden der acht Tonsaiten proportional;* und weiterhin
wird dann mitgeteilt, daß van der Weyde in seinen Vorträgen
bewies, daß die Schwingungen des ersten, dritten und fünften
Tones der diätomischen Tonleiter in demselben Verhältnis zu einander
stehen, wie die Farben Bot, Gelb und Blau. Wir wissen, daß
für transversale Schwingungen von Saiten unter anderen folgendes
Gesetz gilt: Bei gleicher Spannung ist die Zahl der Schwingungen
in einer Sekunde umgekehrt proportional zu der Länge der Saite,
d. h. wenn z. B. eine Saite in der Sekunde 18 Schwingungen macht,
so wird sie bei halber Länge 36 machen, 54, wenn ihre Länge ein
Drittel beträgt usw. (Ganot). Selbstverständlich hat dieses nur
Geltung, wenn die Durchmesser der zu vergleichenden Saiten gleich
sind, da sonst ein anderes Gesetz folgendermaßen bestimmt: Die
Zahl der Schwingungen in einer Sekunde verhält sich umgekehrt
zum Durchmesser der Saite. Mit anderen Worten: bei einem besaiteten
Musikinstrument, wo Spannung und Durchmesser der Saiten
gleich sind, besteht ein Verhältnis zwischen der Länge der Saite,
welche den Ton hervorbringt, und der Tonstufe (d. h. ihrer
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