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Bormann : Zu Prof. Münsterberg's „Entlarvung*. 347
Zu Prof. Münsterberg's „Entlarvung44
erhielten wir — fürs Maiheft leider zu spät — die nachfolgende
, sehr dankenswerte Zuschrift, dat. München,
16. April 1910:
„S. g. H. Pr.! Da wir uns jüngst in München begegneten
, kam die Rede auf die „Entlarvung* der Palatino
durch Prof. Münsterberg, wobei ich Sie gegenüber
den falschen Berichten der Presse aus dem mir
vorliegenden Aufsatze des Gelehrten im „Metropolitan
Magazine" (Febr. 1910) darüber unterrichten konnte, daß
er keinen bewußten Betrug annimmt. Sie ersuchten
mich freundlichst um eine Berichtigung hierüber für Ihre
Zeitschrift. So gebe ich wieder, was Münsterberg urteilt.
Er vermutet einen Fall verwickelter Hysterie, in dem eine
Teilung der Persönlichkeit statt hat. Die doppelte Persönlichkeit
der Hysterischen sei, sagt er, nichts Mysteriöses,
sie entspringe aus abnormen Hemmungen im Hirn. Solch
ein Persönlichkeitsteil könne die künstlichsten Vorbereitungen
für Betrügereien mit wunderbarer Gewandtheit
treffen und, sobald hernach die normale Person erwache,
sei die ganze hysterische Handlung vergessen. Münsterberg
mutmaßt, daß eine hysterische Krankheit für die
ganze Lebensgeschichte der Paladino verantwortlich sei,
und läßt sich dafür auf allerhand Erklärungen ein. „Ich
glaube,* so meint er, „daß sie ganz überzeugt ist von ihren
eigenen mysteriösen Kräften. Es ist Betrug, für den keiner
gescholten werden darf, so lange er im Bezirke der Krankenanstalt
ist." Münsterberg wehrt sich, wegen seines Unglaubens
an okkulte Dinge für einen Materialisten gehalten
zu werden. Er will aber ebenso wenig Pragmatiker sein
im Sinne des Okkultismus, bei dem man weder Materialist,
noch Idealist sei, sondern bekennt sich ganz und gar als
Anhänger des Idealismus, der allein zuletzt eine Anschauung
der Wirklichkeit ermögliche. Eechfc hat er ja darin,
daß namentlich die große Masse der Vulgärspiritisten
fälschlich ihre Gegner samt und sonders als Materialisten
verschreit, während es darunter freilich immer noch Anhänger
einer idealistischen Weltanschauung gibt, und Recht
ferner auch in der Meinung, daß im Schwarme der Spiri-
^tualisten und Spiritisten der Pragmatismus in grobstofflicher
Bedeutung, sogar mit allerhand Eigensucht und Gemeinsucht
, sich unerfreulich breit macht. Und doch — und
doch —, wenn Münsterberg als Biehtziel seines Idealismus
ganz ausnehmend den Wahrheitsdienst hinstellt, hat er
wirklich Eecht, im Streite gegen seine okkultistischen
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