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386 Psychische Studien. XXXVII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1910.)
kaum eine halbe Stunde im Bette gelegen, als ein Sehlag
geschah und ihm zu gleicher Zeit das Licht über den Stuhl
geschleudert wurde, so daß der Leuchter bis an die Stubentüre
flog. Nun ging das Gepolter erst recht los. Die
Tische und Stühle wurden umgeworfen, die Bettstellen
schienen lebendig geworden zu sein und schwankten wie
Schaukeln hin und her, ja sogar die beiden Kinder, eins
mit 8 Wochen und eins mit 3 Jahren, wurden aus den
Betten geworfen. Auch ein Photographierahmen wurde
dabei von der Wand gerissen und die Photographie verkehrt
unter das Glas geschoben, ohne daß man nur die geringste
Spur wahrnehmen konnte, wie das möglich war. Man
wußte sich dieses Sonderbare nicht zu erklären, da der
ganze Rahmen rückwärts mit Leim verstrichen war.
Auch von den anderen Inwohnern jenes Hauses vom
zweiten und dritten Stock hörte man verschiedene Klagen
über Unruhe bei der Nacht und sie behaupteten, bald dieses,
bald jenes gehört oder gesehen zu haben. Ich und mein
guter Freund wurden indes so ziemlich täglich morgens
1'25 Uhr von unserem Nachtgespenst geweckt, und eine
halbe Stunde lang mißhandelt, so daß wir uns beinahe schon
daran gewöhnt hatten.
Die zweite Woche im Februar ging es üns schon
recht zu Herzen, da wir denn gar niemals mehr zur
Nachtzeit unsere Ruhe hatten. Mein Freund, dem die
Sache zu toll wurde, packte sein Bündel und sagte
mir Lebewohl; aber ich war jetzt desto schlimmer daran,
wollte auch um keinen Preis in diesem Zimmer mehr
schlafen und flüchtete mich deshalb zu meinen Eltern. Es
war die erste Nacht, daß ich wieder schlafen konnte; den
15. Februar aber hat es arg in diesem Hause gehaust, so
daß die Inwohner noch den nämlichen Tag ausziehen wollten,
um Obdach bei ihren Verwandten zu suchen. Ich riet zu
dem letzten Mittel die Zuflucht zu nehmen, nämlich das
ganze Haus, Hof und Garten durch einen Priester bene-
dizieren zu lassen. Ich selbst tat die nötigen Schritte. Den
17. Februar wurde das ganze Haus ausgeweiht. Wohl
2 Stunden mochte dieser feierliche Akt gedauert haben,
dem alle Inwohner des Hauses mit Rührung beiwohnten.
Es sind nun 6 Wochen, daß des Priesters Hand das Haus
§esegnet und die bösen Geister aus demselben gebannt hat.
eit dieser Zeit hörte ich keine Klage wieder. Alles lebt
ruhig und zufrieden, und ich selbst kann mich nicht mehr
über die geringste Ruhestörung beklagen. Bemerkt sei
noch, daß jenes Haus erst 1866 erbaut wurde und sehr
braven, religiösen Leuten gehört.
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