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Kal£ta: Theorien über die Erhaltung des Lehens. 391
Hat sich eine krankhafte Idee einmal festgesetzt, so
ist sie freilich schwer zu beseitigen. Aber auch da wird
ein geschickter Hypnotiseur gute Erfolge erzielen. Vor
allem muß die durch Autosuggestion gebildete Idee, sei es
des Krankseins oder des Alterns usw., beim Patienten gänzlich
beseitigt werden. Damit ist aber noch nicht viel erreicht.
Es muß weiterhin durch eine intensive Suggestion des Arztes
die Autosuggestion des Yerjüngens, des Gesundseins, der körperlichen
Frische ins Spiel gesetzt werden. Dies ist aber
keine geringe Kunst; denn die Zerstörung der Idee des
Alterns, desi Krankseins usw. kommt der Zerstörung einer
fixen Idee im Wahnsinn gleich. Erst dann ist die Idee
des Verjüngens, des Gesundseins und der körperlichen
Frische usw. zur Höhe der früheren fixen Idee des Alterns zu
heben, zu pflegen und erstarren zu lassen. Daraufhin tritt
hysiologische Veränderung, gleich der im künstlichen
tigma, in den meisten Fällen ganz von selbst ein. —
Wie vollzieht sich nun der Vorgang in den soeben
erwähnten Fällen? Daß das vasomotorische Nervensystem
des Hypnotisierten oder des krankeingebildeten Patienten,
das den Bewegungen in den Arterien vorsteht, direkt von
dem Willen des Hypnotiseurs oder von den begeisternden
Reden der Jugend, des Arztes usw. beherrscht werde, kann
nicht gedacht werden. - Vielmehr wird die eingepflanzte
Idee zu seiner eigenen gemacht. Das unmittelbar Wirkende
ist dann nicht die Fremdsuggestion, sondern die Autosuggestion
, wie dies seit jeher bei den religiösen Schwärmern
beobachtet worden ist, bei denen sich z. B. die Wundmale der
Kreuzigung bildeten, wenn sie sich ganz in die Leiden
Christi versenkt hatten *) Beim künstlichen Stigma weckt
nur der Hypnotiseur in der Versuchsperson die Vorstellung
der organischen anbefohlenen Veränderung. Das eigentliche
wirkende Agens kann nur der durch die eingepflanzte Vorstellung
erregte Wille der Versuchsperson selber sein,
und zwar ihr unbewußter Wille; denn die organischen Veränderungen
sind unserem bewußten Willen entzogen. Somit
Kunst weiser Selbsterziehung und Selbstbeherrschung theoretisch
und praktisch von jeher weit besser verstanden, als die „Kulturnationen
« des Westens. - Red.
*) Bizouard: „Rapports de Phomme avee le d&non*, III., S. 604;
— Billot: „Recherches psychologiques*, III., S. 235; — Binet et F6r6:
„Le magn&isme animal", S. 147; — Bertrand: „Le magn&isme en
France*, S. 376; — Carr6 de Montgeron: „La des miracles
op&to par Fintercession de M. de Paris", II., S. 127. (Näheres
hierüber bei Vesme, „Geschichte des Spiritismus*, deutsch von
Feilgenhauer, B. III, S. 39 ff.),* — Schinöger: „Das Leben der gottseligen
Katharina Emmerich'4, I., S. 379, 296.
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