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Literaturbericht.
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Zu Wundt's Religionspsychologie. Von Dr. Karl Thieme, a. o.
Professor der Theologie in Leipzig. Leipzig, J. C. Hinrichs'sche
Buchhandlung, 1910. 16 S 8'. Preis 35 Pf.
Das Schriftchen, *ein kleiner Leitfaden durch Wundt's Riesenbau
", ist eine Anzeige des zweiten und dritten Teiles des zweiten,
„Mythus und ßeligion* untersuchenden Bandes von Wundt's Völkerpsychologie
. Wenn Wundt's ganze Beligionsphilosophie, die das
Vertrauen auf die moralische Weltordnung lehrt, hindurchscheint
in dem Satze, erst der Ausblick auf die Zugehörigkeit des
Einzelnen, wie der Gemeinschaft und ihrer Schöpfungen zu einer
übersinnlichen, die sinnliche Wirklichkeit einschließenden Welt
gebe den sittlichen Normen ihren letzten Halt in der im sittlichen
Leben und seiner Geschichte nur bruchstückweise zur Entfaltung
gelangenden Idee des Unendlichen, so muß man Dr. Thieme beistimmen
, daß der religionspsychologischen Bewegung unserer Tage
zu ihrer wissenschaftlichen Vertiefung nichts Besseres beschert
werden konnte, als das genannte Werk. Wienhpld.
WeltansehaiHingsfragen. Das Seelenleben der Tiere. Von Dr.P.Ohm.
Mit zahlreichen Abbildungen. Verlag: Neue Weltanschauung Stuttgart
, 1909. Geschäftsstelle: Fritz Lehmann-Stuttgart. Bd.4. Pieisl M.
Der Verf. verfolgt in einer dem Standpunkt der modernen
Naturwissenschaft entsprechenden Weise die Entwickelung der Tierpsyche
von dem einzelligen Lebewesen bis hinauf zu seinem Höhepunkt
, dem Menschen. Seine Darstellung häuft Indizienbeweis auf
Indizienbeweis dafür, daß sich die menschliche Seele aus der tierischen
entwickelt hat. Zwingende Tatsachenbeweise aber für seine
Ansicht, erklärt er selbst offen und ehrlich, könne er nicht erbringen
; doch auch das Gegenteil ließe sich nicht beweisen, und er
habe die Logik und die Naturwissenschaft für sich. Noch sei viel
Tier im Menschen. Er müsse auch dieses allmählich überwinden, indem
er den Verstand über die niederen Triebe und Regungen regieren
lasse. Das Bach ist gemeinverständlich geschrieben und in seinem rein
sachlichen Teil durchaus belehrend. Freudenberg-Brüssel
Buddhismus als Reformgedanke für unsere Zeit Von Vasettho.
Breslau 1910. Walter Markgraf Verlag.
Ein prächtiges Buch! Em Buch, welches eine Mission erfüllt
und bei dessen Erscheinen man sich unwillkürlich fragt, warum es
nicht längst erschienen ist. Der Verf. — unter dem gewählten
Pseudonym verbirgt sich einer unserer geistvollsten Mitarbeiter —
führt den Nachweis, daß der Buddhismus durchaus keine Religion
der Passivität ist, sondern im Gegenteil alle Elemente in sich birgt,
welche den Menschen zur höchsten geistigen und moralischen Aktivität
anspornen. Es wird so ein Aberglaube zerstört, der bisher
dem Eingang der buddhistischen Ideen in das Abendland verhängnisvoll
geworden ist. Es wird ferner in der anschaulichsten
Weise zur Ausführung gebracht, daß sich der Buddhismus auf das
innigste an die wissenschaftlichen Ergebnisse der modernen Forschung
anschließt und zugleich den Forderungen des heutigen abendländischen
Lebens entspricht, auf welch letzteres er allerdings zugleich
reformierend einzuwirken berufen sein dürfte. Die Aufgaben,
welche das Christentum in seiner derzeitigen Entwickelung ungelöst
gelassen hat und auch nicht zu lösen imstande ist, soll der
Buddhismus bewältigen. Zur Erfüllung dieser Mission besitzt er
nach der eingehenden und klaren Begründung des Verf. alle erforderlichen
Mittel. Es ist eine wahre Freude, endlich einmal aus
der lauteren und ursprünglichen Quelle des großen indischen
Weisen schöpfen zu sehen, nachdem so lange zwischen dieser und
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