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Kateta: Theorien über die Erhaltung des Lebens. 447
Der tierische Magnetismus und der Hypnotismus
scheinen auf diese merkwürdigen Erscheinungen einiges
Licht zu werfen. Denn sowohl der Hypnotiseur, als auch
der Magnetiseur vermag die o r g an i s i e r e n d e Kraft
d e r S e e 1 e bis zu einem gewissen Grade ins Spiel zu setzen.
Wie weit die Macht unserer Seele in der Beherrschung der
organischen Kräfte reicht, wissen wir einfach nicht. Wir
wissen nur so viel, daß, wenn der Hypnotiseur oder Magnetiseur
aus vollster Uberzeugung und im unerschütterlichen
Glauben an seine Macht den Patienten behandelt
und letzterer in demselben Maße von seiner Heilkunst
überzeugt ist, sich ganz unglaubliche Erfolge einzustellen
pflegen, die jede moderne Medikamentenkunst in den
Schatten stellen. Wir erinnern hier nur an jenen Bauer,
dem der Arzt ein Rezept aufschrieb und mit den Worten
gab: „Nehmen Sie das!" Der Bauer verschluckte das Papier
— und wurde gesund! In diesem Falle ist die Heilung
lediglich der Autosuggestion des Patienten zuzuschreiben
. — Ein ähnliches Beispiel bietet uns der tibetanische
Lama, der durch Beschwörungsgebete der Pilger in .einen
ekstatischen Zustand versetzt wird, sich seinen Unterleib
mit einem Messer der Länge nach öffnet, das Blut aus der
Wunde mit seiner Hand ausschöpft, darauf dreimal bläst
und es unter Geschrei in die Luft schleudert. Dann
streicht er mit der Hand über die Wunde, die sich ohne
eine Narbe zurückzulassen, schließt *) — Wir erwähnen noch
eine durch Autosuggestion bewirkte Regeneration, berichtet
von dem Philosophen Hume und dem Kardinal von Uetz,
welche einen ganz extremen Fall von Heilung durch Autosuggestion
erzählen, beide unvermögend, ihn zu bestreiten,
und doch unvermögend, ihn zu glauben. Auf seiner Flucht
nach Spanien kam nämlich der Kardinal nach Saragossa,
wo man ihm in der Kathedrale einen Mann zeigte, der
sieben Jahre als Türhüter gedient hatte und allen Besuchern
der Kirche wohlbekannt war. Er hatte die ganze
Zeit nur ein Bein gehabt; aber durch Einreibung des
Stumpfes mit heiligem 01 bekam er das andere wieder, und
<ler Kardinal versicherte, ihn mit zwei Beinen gesehen zu
haben. Das Wunder wurde von allen bestätigt und die
ganze Bürgerschaft zur Bestätigung der Tatsache angerufen
/ **) —
*) Huc, „Souvenirs d'un voyage dans la Tartarie1850, I,
S. 307.
**) Hume „Eine Untersuchung in Betreff des menschlichen
Verstandes," Abteilung X, Absch. IL — Du Frei in der „Sphinx",
XVII. Bd., S. 91.
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