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452 Psychische Studien. XXXVII. Jahrg. 8. Heft. (August 1910.)
durch die Nase ist sozusagen die Vorbedingung für
die sinnliehen Wahrnehmungen, die dann besonders an den
Händen erfolgen, und zwar als merkwürdige Druckwirkungen
, die bald nach unten, bald nach oben sich äußern.
6. Es mag sehr wohl sein, daß auch innere Körperteile
dabei eine wichtige Rolle spielen, denn sehr häutig treten bei
starken Rutenausschlägen gleichzeitig Luftbewegungen im
Darmrohre ein, auch konnte ich finden, daß die Reaktion
bei einzogenem Bauche, übrigens überhaupt bei Straffhaltung
der Gesamtmuskulatur an Stärke gewinnt. Außerdem
scheint noch das Durchdrücken der Gelenke von Wert
zu sein.
7. Unwillkürlich macht es mir den Eindruck, al-; ob
durch den Rutenausschlag ein tiefinneres Verarbeiten der
durch die Nase eingezogenen Luft zum Ausdruck kommt
und daß die Nase, gleichwie sie normalerweise die Lunge
versorgt, auch die Haut und Hautmuskulatur, bezw.
hauptsächlich die Haut und Muskulatur der Hand sozusagen
kommandiert.
8. Sehr wichtig scheint mir auch für die Beurteilung
speziell der Wünschelrute zu sein, daß die Versuche in
keiner Weise den Rutengänger anstrengen, zum großen
Unterschiede mit anderen scheinbar verwandten, ebenfalls
merkwürdigen und hochinteressanten Versuchen, welche
aber das Nervensystem erfahrungsgemäß intensiv mitnehmen
können, wie zum Beispiel die in einem Zustand leichter
Selbsthypnose oder großer Willenssteigerung ausgeübte Gedankenübertragung
.
9. Was die Fähigkeit, mit der Rute zu operieren, anbelangt
, so glaube ich, daß dieselbe nicht etwa bei nur
wenigen Individuen zu finden sein dürfte; ich habe vielmehr
nach meinen Erfahrungen allen Grund, anzunehmen,
daß hier die W e c k u n g der Fähigkeit und dann die
Übung eine große Rolle spielen. Ich bin am meisten geneigt
, anzunehmen, daß es sich bei der Wünschelrute um
einen Kraftaustausch handelt, der insbesondere den höheren
Lebewesen ohne Unterschied, ja vielleicht, und zwar dann
wohl graduell verschieden, dem Lebendigen überhaupt zukommt
, daß die Sache mit dem, was wir Instinkt nennen,
zu tun hat, was auch den Hund bei seinem staunenerregenden
Spürsinn, den Vogel bei seinem Richtung^inn
leitet. Gust. Jäger*) hat schon vor Jahrzehnten dem
*) In seinem Buche „Entdeckung der Seele", 1885, tritt Prof.
Gustav Jäger auch schon für die Richtigkeit der Wunsehel-
rutensache ein und bringt theoretisch den Rutennachweis in Verbindung
mit einer Tätigkeit des Geruchsorgans.
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