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Roßberg: Das Ehepaar Abend außer Verfolgung. 475
bewiesen, daß er künftig kein Eecht mehr hat, an spiritistische
Berichte den Maßstab seiner psychologischen
Kritik zu legen. Und die gesamte Tagespresse, die dazu
meist von der Kriminalpolizei in dieser Beziehung bedient
wird, erging sich bereits im Falle Rothe in argen Uber-
treibungen und tatsächlich falschen Nachrichten. Ich erwähne
nur die ominöse Gummitasche, die nach dem
Yerhaftungsbericht von einer Fülle von Blumen und
Früchten entleert worden sein sollte. Aus der Gummitasche
wurde später der teilweise geöffnete Roekstoß, der
als Tasche gedient haben sollte. Und bei der Verhandlung
war schließlich die Metamorphose beendet: es war ein aus
Paris stammender Unterrock ohne Naht, Saum oder Stoß.
Das Gericht konnte sich davon überzeugen. Das Objekt
lag vor. Angeblich sollte nun dieser Rock in Form einer
Tasche zusammengeknüpft getragen worden sein. — Im
Falle Abend begegnen wir ähnlichen oberflächlichen, teilweise
unwahren Angaben. Der wahrscheinlich von der
Kriminalpolizei lanzierte Preßbericht sprach u. a. von der
Beschlagnahme von 1000 Exemplaren des Buches von P.
Abend: „Spiritualismus, Lehre vom Geist ;* 5000 seien gedruckt
worden, 4000 hätten wahrscheinlich schon Liebhaber
gefunden. Als Preis wurden 4 Mk. genannt. Welche
Riesengewinnste mußte demnach das Ehepaar Abend eingestrichen
haben! Wie steht es mit den Tatsachen? Eine
Beschlagnahme ist niemals erfolgt. Abend hat noch nicht
100 Exemplare verkauft. Der Preis ist vom Berichterstatter
verdoppelt worden. Nebenbei: das Buch hat einen mehr
als unschuldigen Inhalt. Wer es kennt, wird über die
Nachricht der Beschlagnahme gelächelt haben. — Wie oft
Pressberichte erscheinen, die durchaus sachunkundig sind,
ersah man auch daran, daß das von E. Buchner persönlich
bediente „Berliner Tageblatt* noch am 5. Juli die Nachricht
brachte, daß das Ende der Voruntersuchung gegen
das „Schwindelmediumtf Abend noch gar nicht abzusehen
sei, weil sich wiederum eine Anzahl Zeugen gemeldet
hätten, die sich geschädigt fühlten. Am gleichen Tage aber
waren bereits vier Wochen verstrichen, seitdem die Voruntersuchung
geschlossen und die Akten dem Staatsanwalt
beim Landgericht I übergeben worden waren. Und vom
8. Juni bereits datierte der Beschluß, die Angeschuldigten
wegen Mangels an Beweisen außer Verfolgung zu setzen.
Am 7. Juli bequemte sich dann das genannte Blatt zu der
Berichtigung, in welch' fataler Weise nur noch von dem
„Medium* Abend die Rede sein konnte. — Also Vorsicht
"bei künftigen Entlarvungsberichten!
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