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Kurze. Notizen
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eine Sammlung von Handschriften aller Verbrecherkategorien
, diesen gesellt sich jetzt eine nach besonderen
Grundsätzen aufgestellte Sammlung von Handschriften der
Hoteldiebe. Die Ausführung dieses Planes bedarf natürlich
des Zusammenarbeitens der Hoteliers und der Behörden.
Voraussetzung dafür ist, daß die Hotelbesitzer die Meldezettel
vom Gast eigenhändig und möglichst in Gegenwart
des den Zettel vorlegenden Hotelaneestellten aus-
füllen lassen. Diese vom Gast mitunter als lästig
empfundene kleine Unbequemlichkeit ist für die kriminalpolizeilichen
Nachforschungen von der weittragendsten Bedeutung
insofern, als die Schriftzüge neben der Person-
besehreibung ein wertvolles Hilfsmittel zur Ermittelung des
erfahrungsgemäß den Tatort auf schleunigstem Weg verlassenden
Hoteldiebes bieten. Der Umstand, daß Diebe
doch niemals ihren richtigen Namen anzugeben pflegen, fällt
hierbei nicht ins Gewicht. Der Hoteldieb ist wohl ein im
Stehlen gewandter Gauner, dahingegen in der Verstellung
seiner Schriftzüge meist ungewandt. Eine derartige Handschrift
bietet erfahrenen Kriminalisten und Sachverständigen
häufig eine bessere Handhabe bei Ermittelung des Diebes,
als eine schlecht ausgeführte Photographie. Wenn der von
dem verdächtigen Gast ausgefüllte Meldezettel von der
Ortspolizeibehörde der Zentrale eingesandt wird, so ist diese
leichter in der Lage, das von anderen Polizeibehörden überkommene
einschlägige Material zu sichten, die Bewegungen
des betreffenden Diebes von einem Ort zum anderen zu
verfolgen und System in die Nachforschungen zu bringen.
Bekanntlich korrespondieren die großen Polizeizentralen
der meisten europäischen Staaten zur wirksameren Verfolgung
der internationalen Verbrecher miteinander. Interessant
ist die Tatsache, daß Kriminalkommissar Dr.
Schneickert ein System erfunden hat, wonach er imstande
ist, unter Tausenden von Handschriften die gesuchte binnen
kurzem herauszufinden. Die Handschriften werden nach
Graphischen Merkmalen, was das Neue an dem
ystem ist, registriert, ähnlich den daktyloskopischen
Karten. Es spielt somit keine Rolle, ob sich der Dieb
Müller, Schulze, Lehmann oder sonstwie genannt hat. Das
Sehneickert'sehe System ist bereits bei verschiedenen
deutschen Polizeibehörden eingeführt worden; auch besteht
in der Schweiz die Absicht, dieses System bei dem
Schweizerischen Zentralpolizeibureau, der Polizeizentrale
der Schweiz, einzuführen. („Berliner Tageblatt", Nr. 181,
1. Beil. vom 11. April er.)
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