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502 Psych. Studien. XXXVII. Jahrg. 9. Heft, (September 1910.)
bald wie sie im Betstuhl kniete, bald sogar sieh über das
Bett neigte. Im halbwachen Zustande kam es der F. einmal
vor, als ob auf einer langen Stiege aus der Unterwelt
herauf die geheimnisvolle Schwester zu ihr käme und bei
ihr angekommen, jammernd seufzte: „Willst du nicht für
mich hinabsteigen?*, worauf F.: „Nein, ich dürfte so leicht
nimmer heraufkommen.* Mit den Worten: „So mag denn
niemand für mich hinunter!* war die Gestalt wieder verschwunden
.
Auf meine Weisung, es möchte F. kommenden Falles
die Gestalt unter der landläufigen Formel: „Alle guten
Geister" etc. anreden, gab diese zur Antwort: Sie hätte dieses
schon oftmals versucht; es wäre ihr aber dabei immer, als
ob ihr die Sprache stocke und sie wie von einem Zauber
gehemmt nicht ein Wort hervorbringen könne. Als indes
F. wieder einmal vom Spuke geweckt wurde und sie versuchte
, ob sie nicht etwa doch jene Formel sprechen
könnte, hörte sie in jämmerlichem Tone die Antwort: „Nur
ein Werk!* Auf die Frage: „Welches denn?* hieß es
wieder: „Nur ein Werk!* und es war vorüber. —
Als in der Nacht des Vorabends zum St. Peterstage
F. den Abort besuchte, vernahm sie dort ein sonderbares
Geräusch mit den kläglich gesprochenen Worten: „Geht
denn gar kein Ende her?* Im Bette angekommen, meldete
sich der Spuk bald wieder und gab auf die Ansprache die
Antwort: „Wegen der 21 Gulden.* Auf die Frage:
„Welche 21 Gulden?* erfolgte die alte Klage: „Wegen der
21 Gulden!* Am folgenden Abend hörte F. schon um
9 Uhr auf dem Aborte mancherlei unverständliches Jammerrufen
, wovon sie nur die letzteren Worte: „Helft mir doch!"
verstehen konnte.
Seither dauerte fast allnächtlich der Spuk insofern fort,
als dabei F. bald an der Bettdecke, bald am Kissen ge-
zupft wird, bald, wenn sie aufsteht, am Eocke, ja sogar
einmal am Fuße festgehalten wurde und zwar so fest, daß
sie, um sich loszumachen, mit der Hand nachhelfen wollte.
Noch sei bemerkt, daß während in der jüngst vergangenen
heiligen Nacht F. im Wohnzimmer der Zöglinge allein
aufblieb und dabei ihre Tagzeiten betete, unerklärlicher
Weise plötzlich das Kerzenlicht ausgelöscht wurde.
Dieses Letztere, sowie die nur halben Antworten und
Neckereien durch Zupfen führten mich auf den Gedanken,
man habe es hier mit keiner armen Seele, sondern lediglich
mit einem Dämon zu tun, weshalb ich in der Meinung,
es sei mir erlaubt, bei Privatbenediktionen auch ein anderes
Buch als das Rituale zu benützen, die „Benedictio domus a
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