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506 Psych. Studien. XXXVII. Jahrg. 9. Heft. (September 1910.)
Unterschrift beim automatischen Schreiben zweier Zirkelteilnehmer
in zwei verschiedenen Sitzungen. Ich kann mich
hierbei selbstredend nur auf die Aussage graphologisch geschulter
Zeugen berufen. —
Wie jeder Fremde, so habe ich in der Gesellschaft
die liebenswürdigste Aufnahme gefunden. Hat mir dieselbe
doch unlängst sogar die Ehre erwiesen, mich zu ihrem
„President d'honneur* zu ernennen, ein Vorzug, den ich
keineswegs irgend einem persönlichen Verdienste verdanke,
sondern lediglich dem herrschenden, echt patriarchalischen
Geiste der Gastfreundlichkeit vornehmsten Stiles.
Durch die rege Teilnahme aller Mitglieder der hiesigen
Gesellschaft und deren exaktes Ineinanderarbeiten konnte
es allein geschehen, daß sich der internationale Pfingst-
kongreß, dessen lokale Vorbereitung ganz und gar den
Brüsselern oblag, eines so glatten und ungestörten Verlaufes
erfreute. Das, was sich hier als so selbstverständlich abzuwickeln
schien, war doch nur das Resultat eines bis ins
Einzelnste gehenden und alles vorbereitenden Nachdenkens,
sowie des untadligen Funktionierens einer fünfzigköpfigen,
aber einheitlich arbeitenden menschlichen Maschine, deren
Leiter Herr Pierrard und sein Stab war. —
Ehe ich schließe, sei es mir noch gestattet, einige Worte
über den belgischen Spiritismus im allgemeinen zu sagen.
Obwohl, wie ich eben gezeigt habe, das wissenschaftliche
Experiment in spiritistischen Kreisen sich hierzulande einer
weitgehenden Pflege erfreut, so ist es doch etwas anderes,
was die Mehrzahl der Menschen in diese hineinführt, nämlich
die sog. spiritistische Philosophie. Sie sehen das ganze
experimentelle Arbeiten der okkultistischen Forseher nur
als eine Art Schule an, welche diejenigen durchzumachen
haben, denen sich die Wahrheit des Spiritismus nicht anders
erschließt, als eine Schule, deren alleiniger Zweck es sein
kann, zum Spiritismus hinzuleiten. Und in der Tat — das
läßt sich wohl nicht leugnen — der sog. spiritistischen
Philosophie, wie sie in Belgien in Anlehnung an Frankreich
und speziell Allan Kardec vertreten ist, liegt eine
großartige Konzeption zu Grunde. In ihr ist der Gedanke
der Unsterblichkeit und der Wiederverkörperung nicht nur
eine wissenschaftliche, rein theoretische Lehrmeinung, sondern
eine lebendige Ueberzeugung geworden, zugleich bestimmt,
ins Praktische übersetzt und als Richtschnur für das Handeln
aller Einzelnen zu dienen. Aus dieser Grundanschauung ergibt
sich das Einheitliche des Weltalls, der Zusammenhang aller
Dinge, die Gleichheit aller Menschen vor Gott bezw. in Gott,
mithin der Geist der Brüderlichkeit unter der Herrschaft
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