Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
37. Jahrgang.1910
Seite: 521
(PDF, 209 MB)
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Versteht Helen Keller Musik? 521

seiner direkten Beobachtungen anderer Meinung geworden
sei und zugeben müsse, daß in der Tat H. K. ein richtiges
Empfinden für Musik besäße, wie sie es von sich behaupte.
Seine Versuche selbst schildert Prof. Stern folgendermaßen:
„Ich setzte mich ans Klavier; H.K. lehnte sich mit dem
Körper an das Instrument; insbesondere ließ sie ihre eine
Hand mit der ganzen Fläche auf dem Kasten ruhen. Ich
spielte zunächst eine einfache Melodie in vier Viertel Takt,
deren »Rhythmik ich möglichst scharf zu akzentuieren
suchte. H. K. begann alsbald mit der freien Hand dazu
den Takt zu schlagen, und zwar im wesentlichen korrekt;
als ich fertig war, meinte sie, es sei ein „soldiers march"
(Soldatenmarsch) gewesen. Sodann spielte ich den Donauwalzer
von Strauß. Und hier zeigte sich eine merkwürdige
Wirkung. H. K. geriet in offensichtliche Erregung; der
ganze Körper begann zu vibrieren und sich zu wiegen;
auch das Mienenspiel verriet starken, lustvollen Affekt.
Diese Ausdrucksbewegung war von so elementarer Gewalt,
daß eine nur eingeredete Freude gänzlich ausgeschlossen
ist. Nach Schluß definierte Miß K. das Stück richtig als
„country danee" (ländlicher Tanz). Ich spielte dann noch
den Chopin'schen Trauermarsch, bei dem sie wieder in
ruhige Verfassung kam; ihre Definition „lullaby* (Wiegenlied
) ist gar nicht so unrichtig, wie es zunächst scheinen
möchte; denn jenes Musikstück ist seinem Stimmungsgehalt
nach nicht sowohl tragisch, als elegisch und weich. Zum
Schluß machte ich noch elementare Versuche: ich spielte
einen tiefen, dann einen hohen Einzelton (Differenz ungefähr
drei Oktaven); H. K. merkte nicht nur, daß gespielt wurde,
sondern bezeichnete auch die Töne richtig als tief oder
hoch. Auch einen Triller erkannte sie als solchen/ — Der
Schilderung dieser Experimente voraus geht eine warme
Anerkennung der ganzen geistigen Atmosphäre, die das
Heim Helen Kellers belebt. Prof. Stern schreibt: „Zugleich
sei hervorgehoben, daß dieser Besuch nicht nur zu den
interessantesten, sondern auch zu den menschlich schönsten
und reinsten Eindrücken gehört, die ich je empfangen.
Wer das stille, das harmonische und durchgeistigte Leben
seiner Bewohner, die sonnige Persönlichkeit Helen Kellers
und die ideale Freundlichkeit sah, die sie mit ihrer ehemaligen
Lehrerin verbindet, der weiß, wie unbegründet all
die kleinliche Zweifel- und Schmähsucht ist, die sich an
diese Persönlichkeit geheftet hat/ Da Prof. Stern der
erste deutsche Psychologe von Beruf ist, der in Verkehr
mit Helen Keller trat, so erhält sein Eindruck von ihr ein
besonderes Interesse.

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