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Peter: Das Malmedium Frau Aßmann.
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Söancen. Das Medium ist, wie mir sein Gatte mitteilte,
vor denselben immer aufgeregt und dieses Lampenfieber
scheint „Albert" die Arbeit zu erschweren. Endlich ist
„Helize" zufrieden und ohne Zögern wird mit den Einzelheiten
begonnen, ohne aufzusehen, ohne zu überlegen, abzuwägen
usw. Die Art dieses Arbeitens wäre, wie schon erwähnt
, für einen Künstler im normalen Zustand unmöglich;
er würde, auf diese Weise niemals das vollkommen Harmonische
, im Gesamteindruck und der ganzen Anlage von
großer Überlegung und von Raffinement des Gedankens
zeugende Bild zustande bringen. Dabei wird nie verbessert,
niemals tritt eine Korrektur ein, jeder Strich sitzt und jede
Farbe stimmt! Aber ein Duplikat zu fertigen wäre dem
Medium nicht möglich, auch wenn es den Willen dazu hätte,
und die Ornamentik eines Blattes kehrt, wie schon gesagt,
niemals wieder. —
Man kann bis jetzt drei Entwicklungsperioden unterscheiden
: 1) Der Anfang: die Konturen sind noch unsicher,
die Durchführung des Ganzen erfolgt in breiter Flächen-
behandlung. 2) Die Verbesserung: die Umrisse sind fest
und sicher, die Flächenbehandlung ist durch Strich -
manier ersetzt (sie erinnert an die Pointillisten). 3) Vervollkommnung
: die letzten Erzeugnisse weisen kühne,
sichere Linienführung auf und die Striche sind durch unendlich
kleine Kreise ersetzt, sodaß das Ganze wie ein
Zellenge webe erscheint.
Die Bilder sind von einer faszinierenden Schönheit.
„Die Phantasie*, sagt Prof. Rücklin,*) „ist vollkommen
unbeeinflußt von jeder überlieferten Kunstform und jeder
geregelten Ausbildung. Wohl die stärkste Seite dieser
Arbeiten ist die koloristische; die bald harmonisch weiche,
bald phantastisch glühende Farbengebung fesselt jeden
aufnahmefähigen Beschauer. Die technischen Mittel sind
mit einer unbewußten Raffiniertheit verwendet..... Eine
unerklärliche Besonderheit der Aßmann'sehen Formenphantasien
ist die diagonale Teilung fast aller Blätter*. Hierzu
tritt der bemerkenswerte Umstand, daß die Felder durchaus
nicht symmetrisch ausgefüllt werden. Eine Symmetrie im
Sinne unserer Ornamentik ist überhaupt nicht vorhanden
und dennoch ist das Gleichgewicht vollkommen gewahrt.
Das Pflanzenornament ist vorherrschend. Wenn Einige
aber Anlehnungen an uns bekannte Muster zu finden
glaubten, so ist dies eine Täuschung. Man wird an die
Ornamentik altpersischer Teppiche erinnert. Bei näherem
*) Professor an der Kunstgewerbeschule in Pforzheim.
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