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556 Psych. Studien. XXXVII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1910.)
nichts träumen läßt. Sie haben den Vorteil, wenigen
Widerspruch zu finden.
Der geehrte Leser mag nun wählen. Ich wünsche
jedem die Gelegenheit, die Bilder selbst zu sehen, denn die
versuchten Reproduktionen geben keine richtige Vorstellung
von den Schöpfungen des auf dem Gebiete des automatischen
Zeichnens bis jetzt unerreichten Mediums. Es
liegen auch viele Zeugnisse von berühmten Künstlern und
Gelehrten vor. Sie stimmen alle in der Anerkennung der
wundervollen Leistungen des Mediums überein. Interessant
ist das Gutachten des Mr. Jean Delville, der erster
Professor an der Königl. Akademie der schönen Künste in
Brüssel ist und zugleich Mitglied der „Tbeosophisehen Gesellschaft
" und Generalsekretär der „Unabhängigen Gesellschaft
für psychische Forschungen in Brüssel44. Ich lasse
es hier in Ubersetzung folgen.
Gutachten des Herrn Jean Delville-Brüssel.
Die Pastellmalereien der Frau Assmann, die auf m ediu-
mistischem Wege entstanden sind, bieten, abgesehen von ihrem
psychischen Charakter, ein wirklich künstlerisches Interesse dar.
Sie sind keineswegs das Resultat irgend einer zügellosen Phantasie
eines mehr oder weniger geschickten Künstlers, sondern, im
Gegenteile, sie offenbaren dem prüfenden Auge eine sowohl in
den Formen, wie in den Farben wunderbare Logik und Ordnung.
Sie tragen alle das Gepräge des Genies der Natur, einer Naturanschauung
, die der Mehrheit der heutigen Menschheit noch unbekannt
ist: ich meine der unsichtbaren Natur, die überhaupt unvermutete
und unvorstellbare künstlerische Schönheiten enthält,
und die hoffentlich, wenn die psychische Sensibilität der meisten
Menschen mehr entwickelt sein wird, der Kunst neue ästhetische
Elemente zuführen wird.
Nur wenige Künstler werden auf der Suche nach dekorativen
Kombinationen fähig sein, ähnliche Formen und Farben hervorzubringen
, wie diejenigen, die durch die Mediumität der Frau Aßmann
auf eine so spontane Weise und ohne lange gesucht zu haben
erlangt wurden. Und wie häufig würden sie verbessert und gezögert
haben, wie es so die Gewohnheiten ihres Berufes sind.
Wenn man die visionären, aber harmonischen Vegetationen
betrachtet, begreift man, daß man sich der Wirklichkeit entsprechenden
Formen und Farben gegenüber befindet, die uns aber
unsere gewöhnlichen Sinne nicht wahrzunehmen erlauben, da diese
nur die materielle Flora erkennen. Man hat sogleich den Eindruck,
daß diese farbigen Muster einen orientalischen Charakter haben.
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