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Kaindl: Metapsychische Erscheinungen aus alter Zeit. 625
gruppen tatsächlich eine innere Verwandtschaft besteht.
Alle diese Phänomene scheinen darauf zu beruhen, daß die
unter normalen Verhältnissen innerhalb der Organisation
der individuellen Seele tätigen Kräfte infolge einer Lockerung
der zwischen ihr und ihrem Organismus bestehenden
festen Verbindung außerhalb desselben in Wirksamkeit
treten, wo sie sich hauptsächlich in einer zweifachen Weise
geltend machen, indem sie auf die äußeren Dinge entweder
unmittelbar (rein magisch) einwirken, oder vermittelst der
durch Entfaltung ihrer organisierenden Tätigkeit (magischorganisch
) geschaffenen, mehr oder weniger verdichteten
(materialisierten) Gebilde.
Der Zustand der Ekstase muß, obschon sich dabei eine
Steigerung der individuellen Kräfte und Fähigkeiten bemerkbar
machen kann, doch als eine Abweichung von
einem harmonischen Normalzustande betrachtet werden, indem
sich dabei das betreffende Wesen des richtigen Verhältnisses
zu der ihm angepaßten Welt mehr oder weniger
begibt und in mehr oder minder unvollkommene Beziehungen
mit einer ihm nicht angepaßten Welt kommt. Insoweit
sich der chaotische Charakter, der allen derartigen
Kundgebungen aus einer anderen Welt für gewöhnlich anhaftet
, nicht aus jenem doppelten Mißverhältnis erklärt,
in welchem sich der Wirkende zur Zeit seines Wirkens befindet
, wird man den Monoideismus, der oftmals den ekstatischen
Zustand veranlaßt, dafür verantwortlich zu
machen haben, indem er dann die entbundenen Kräfte für
sich in Anspruch nimmt und den Erscheinungen sein Gepräge
aufdrückt. —
Daß verhältnismäßig viel häufiger von Spukwirkungen
Sterbender und Verstorbener berichtet wird, als von solchen
Lebender, mag daran liegen, daß im Prozeß des Sterbens,
wo sich eine völlige Trennung von Seele und Körper allmählich
vorbereitet, sich leicht Ekstasen einstellen, noch
ehe Bewußtlosigkeit eintritt, welchenfalls jeder lebhafte
Gedanke, der das Gemüt erregt, zu Fern Wirkungen Anlaß
geben kann oder, falls der Tod erfolgt, während sich ein
derartiger Gedanke im Bewußtsein lebendig erhält, die
Spukwirkungen nach dem Tode eintreten, indem sich jener
Gedanke alsdann ebenso zu verwirklichen trachtet, wie eine
posthypnotische Suggestion in dem auf den hypnotischen
folgenden wachen Zustand.
Görres hat, wie du Prel erwähnt, schon darauf aufmerksam
gemacht, daß Spukgeschichten sich oft unmittelbar
an den Tod gewisser Personen anknüpfen und den
Schluß auf einen Zusammenhang mit diesen gestatten.
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