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634 Psych. Studien. XXXVII. Jahrg. 11. Heft. (November 1910.)
in uns selber ruhe und mithin die Annahme einer außermenschlichen
Vernunft überflüssig mache. Durch eben die
Konformität, welche ich oben erwähnte, wird der Naturgelehrte
sich eher dazu verstehen, neue, ihm bisher fremde
Energien anzunehmen, wozu er sich im Laufe der historischen
Entwicklung manches Mal hat entschließen müssen,
als einen prinzipiellen neuen Begriff in die physische Weltordnung
einzuführen, dessen er bisher niemals benötigte:
den Begriff einer zwecksetzenden Vernunft. Der Okkultismus
wird aber, von seiner Seite gleichfalls mit Recht,
erwidern dürfen: „Könntest du dich ebenso wie wir von
der Wahrheit unserer Phänomene überzeugen, — welch'
letzteres dir freisteht, wofern du dich für einen Augenblick
unseren Bedingungen unterwirfst, — so würdest du
selber inne werden, daß wir unter Umständen genötigt
sind, Wesen von besonderer physischer und psychischer
Beschaffenheit anzunehmen. * Wir erkennen hieraus mit
Klarheit, wie gerade dem Okkultismus die Last des Beweises
aufliegt. Die Forderung, welche die Erkenntnis an ihn
richtet, ist: „Zeige uns unwidersprecblich die Wahrheit
deiner Phänomene und dann beweise uns, daß die Theorie,
die du ihnen hinzufügst, die einzig widerspruchsfreie und
vernunftgemäße sein kann.* —
Wir wollen nun einige Folgerungen betrachten, die
für das Wesen einer spiritistischen Theorie von Bedeutung
sind. In Schriften spiritistischen Inhaltes, oder solchen,
die dem Spiritismus nahe stehen, können wir häufig lesen,
es sei schon möglich gemacht, oder werde noch möglich
werden, die Wahrheit der spiritistischen Theorie zu beweisen.
Wir müssen entgegnen, daß so etwas aus reinen Gründen
der Logik vollkommen ausgeschlossen ist.*) Schon Aksa-
k o w, dieses Musterbild logischen Ernstes, der niemals weitere
Schlüsse zieht, als ihm die Voraussetzungen, die er für
wahr hält, gestatten, hat mit Nachdruck darauf hingewiesen,
daß eine Welt der Geister nicht beweisbar sei, vielmehr
lediglich aus dem intellektuellen Inhalte gewisser Mitteilungen
erschlossen werden müsse. Was aber auf ani-
mistischem Wege erklärbar sei, das schließe die Anwendung
einer spiritischen Hypothese von selber aus.
Von unserem erkenntniskritischen Standpunkte aus
werden wir die Frage der Beweisbarkeit etwas näher
beleuchten müssen. Zunächst lehrt die Logik, daß die Wahrnehmungsurteile
unbeweisbar sind. Ich kann ebenso wenig
*) Vollkommen unsere, schon oft ausgesprochene Meinung!
— Red.
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