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Hugo: Erkenntnistheorie und Okkultismus. 635
beweisen, daß ich die Decke, die vor mir auf dem Tische
liegt, als rot empfinde, wie ich beweisen kann, daß mein
Bruder, der vor mir steht, wirklich der ist, als den ihn
meine Sinne wahrnehmen. Ist aber die subjektive Wirklichkeit
unbeweisbar, wiewohl sie lediglich im Hinblick auf
meine Sinne sicher und unbezweifelbar feststeht, so hat
die objektive noch in einem anderen Sinne als unbeweisbar
zu gelten. Das einzige Mittel, objektive Existenz wahrscheinlich
zu machen, ist die Beobachtung, die wir selber oder
viele, oftmals und unter allen möglichen Bedingungen,
anzustellen suchen. Ein Freund, der lange von uns fern
war, den wir vielleicht schon tot glaubten, tritt plötzlich
über unsere Schwelle. Ist es nur ein Traum, fragen wir
uns, oder bist du es wirklich? Wir treten hinzu, berühren
und schütteln ihn, und erst durch diese reflektorische und
allseitige Versicherung werden wir inne, daß kein* Traumbild
, keine Halluzination uns zu täuschen sucht. Genau
so würde für uns die Wirklichkeit einer Geisterwelt dargetan
, wenn es uns gelänge, sie unseren eigenen Sinnen, wi&
denen anderer Menschen zugleich in unverdächtiger Weise
und unter Bedingungen, die jede halluzinatorische Wirkung
ausschließen, vor Augen zu führen. Das wäre kein Beweis
im strengen Sinne, denn die Möglichkeit eines Irrtums
unserer selbst, wie die anderer Menschen, bleibt bestehen^
und dennoch würden wir von einer den Naturdingen völlig
äquivalenten Weise der Objektivität reden dürfen. Das
also würde von den Erscheinungen der Naturwissenschaft,
wie denen des Spiritismus in gleicher Weise gelten, daß
der Nachweis ihrer objektiven Wirklichkeit nur im höheren
Grade wahrscheinlich zu machen ist, aber einem im logischen
Sinne absolut verbindlichen Beweise Trotz bietet. Gelänge
es also, eine Geisterwelt in einer für unsere Sinne unzweifelhaften
, d. h. sehr wahrscheinlichen Weise darzutun,
so würde das Ergebnis ebenso wenig für bewiesen
gelten, wie die Wirklichkeit irgend eines beliebigen objektiven
Gegenstandes, der uns in der Welt der Naturdinge
entgegentritt. —
Die Behauptung nun, welche Aksakow aufstellt, bezieht
sich weniger auf die formal logische Unmöglichkeit des
Beweises, von der wir soeben geredet haben, als auf die
Unmöglichkeit, gewisse als ,spiritistisch« angenommene
Phänomene mit zwingender Notwendigkeit gegen solche
des Animismus abzugrenzen. Damit determiniert er unser
Problem in gewisser Weise. Auf Grund eigener und
fremder Beobachtungen nimmt er die animistischen Phänomene
als objektiv wirklich und behauptet nun von diesem
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