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640 Psych, Studien. XXXVII. Jahrg. 11. Heft. (November 1910.)
englischen Zeitschrift „The Annais of Psychical Science"
eine längere Abhandlung, welche, wie er uns sagt, bezwecken
soll, die Theorie der Gesichtshalluzination, wie sie
von der physiologischen Wissenschaft aufrecht erhalten
wird, kritisch zu prüfen und die Physiologen auf ihrem
eigenen Boden anzugreifen, indem gezeigt wird, daß derselben
seither eine weit größere Ausdehnung gegeben wurde,
danken, sind lehrreich genug" und fährt dann mit Bezugnahme auf
den von materialistischen Vertretern der Hochschulwissenschaft,
neuestens von dem einen extrem skeptischen Standpunkt vertretenden
Dr. Gustave 1 e Bon in seinem in der Märznummer
der Pariser „Revue Scientifique" veröffentlichten, vielbesprochenen
Aufsatz über die „Renaissance der Magie" (siehe den Auszug
aus der Erwiderung des Chefredakteurs der „Annales des Sc.
Ps.u, Juni 1910, S. 161 ff. von Oberst Peter in der „Übersinnl.
Welt", Okt.-Heft, S. 361 ff.) den Okkultisten gemachten Vorwurf der
„Unwissenschaftlichkeit" fort: „Übrigens müssen wir es uns ja aucn
gefallen lassen, daß uns von den Gegnern immer und immer wieder
die Suggestion, weiche diese Herren erst entdeckten,
nachdem ihnen von Laien die Nase daraufgestoßen
worden war, als ein Universal-Lösungsmittel für alle schwierigen
Probleme des Seelenlebens in der aufdringlichsten Weise angepriesen
wird. Ein Hauptcharakteristikon des Gelehrten ist, wie ja auch
du Prel erwähnt, seine „Augenhaftigkeit" (d. h. daß er viel mehr
wahrnimmt und tiefer blickt, als ein anderer Mensch). Ich frage
nun: Waren jene „Gelehrten", welche uns jetzt die Suggestion,
deren Entdeckung sie Laien verdanken, bei jeder Gelegenheit auftischen
, augenhaft oder blind, daß ihnen ein psychologisches Faktum
von so eminenter Bedeutung entgehen konnte? Wem fielen da nicht
die zwei Geschwüre ein, die nach ihrer Ansicht der „Ungelehrte"
(Laie) anstatt der Augen haben soll? — Für den denkenden Menschen
ist es wirklich ergötzlich, zu beobachten, mit welch einer
beispiellosen Unverfrorenheit dieselben Leute heute mit dem Begriff
„Suggestion" herumwerfen und ihn bis zum Extrem ausnützen, die
früher eine derartige Idee als die „Ausgeburt eines kranken Hirns"
gebrandmarkt haben. Die blinde Henne, die sonst nur Körnchen
findet, ist sichtlich froh, daß man ihr einmal einen tüchtigen Brocken
zugescharrt hat. Da ist nun des Fressens kein Ende, und ihr freudiges
Gegacker ist weithin vernehmlich. — Oder, um e*nen anderen
Vergleich zu gebrauchen, man ist glücklich, daß sich für die große
„Tasche der Hysterie", die vor lauter Hineinschoppen schon bei
Lebzeiten du Prel's ja fast zum Platzen gebracht worden war,
eine neue noch aufnahmsfähigere Tasche, nämlich die der „Suggestion
*4, gefunden hat, wohin man alles verschwinden lassen kann,
was der „dumme Laie" nicht zu wissen braucht und worüber er
vorlaute Fragen stellen könnte. Demjenigen aber, der trotzdem seinen
Schnabel nicht halten kann, haut man dann ganz einfach die Tasche
„um das Maul". Gibt er auch jetzt noch keine Ruhe, dann sucht
man ihn in einem Schwall von griechischen und lateinischen Fachausdrücken
zu ersticken, was dann meistens hilft; denn der eine
fühlt sich hierdurch in einen bejammernswert hilflosen Zustand von
Laienhaftigkeit versetzt, während der andere denkt: Es ist besser,
einem Narren aus dem Wege zu gehen, als sich mit ihm zu zanken."
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