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650 Psych. Studien. XXXVII. Jahrg. U.Heft. (November 1910.)
die den unsaubern sprachlosen Geist vertrieb. Man kann
nicht genug warnen vor dergleichen unbesonnenen öffentlichen
Sitzungen, die nur Gefahren nach sich ziehen.
„Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist,
sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind", also
warnte Johannes die ersten Christen. Und Paulus schrieb
an die Thessalonicher, die nicht einig waren über die
empfangenen Weissagungen: „Den Geist dämpfet nicht.
Die Weissagung verachtet nicht. Prüfet aber alles und
das Gute behaltet", und die Korinther ermuntert er in
seinem ersten Briefe: „Strebet aber nach den besten Gaben,
fleißiget euch des Weissagens". Wie nun Prediger diesen
Rat des Apostels anführen können gegen das Ingemeinschaft-
treten mit den Geistern, ist uns unbegreiflich, und es ist
ihre Aufgabe, diesen Widerspruch zu erklären. Wie kann
man denn die Geister oder ihre Mitteilungen prüfen, wenn
man nicht mit ihnen in Verbindung tritt, oder den Wert
ihrer Weissagungen schätzen, wenn man dieselben nicht
empfangen will oder darf? Noch unbegreiflicher und unlogischer
trat im Jahre 1907 der Prediger de Eot zu
Apeldoorn als Bußprediger wider den Spiritismus auf.
Nach dem Berichte der dortigen antirevolutionären Zeitung
führte dieser Kreuzfahrer als Motiv wider "den Spiritismus
an, daß Bileam, ein heidnisches Medium, das Werkzeug
des Satans sei; als er aber im Gebirge von Moab das israelitische
Volk wider seinen Willen segnete, statt es zu verfluchen
, war er Gottes Medium! Welch ein Frevel! Wie
inkonsequent! Wie traurig, daß manche gläubige Streiter
sich bisweilen von ihren sogenannten instinktmäßigen Gefühlsäußerungen
irreführen lassen und jedem Nachdenken Schweigen
auferlegen, wodurch sie zu den größten Widersprüchen
kommen: Bileam den einen Augenblick das Medium des
Satans, aber folgenden Tag das Medium Gottes zu nennen und
daraus zu schließen, daß der Spiritismus überhaupt satanisch
sei, steht mit sich selbst im Widerspruch und kann also
nicht wahr sein. Man könnte ja mit ebenso viel Recht
daraus schließen, daß der Spiritismus göttlich sei. Wenn
aus diesem Grunde Herr de Rot jede Mitteilung eines
Geistes, die von einem Medium empfangen worden ist,
verwirft, so könnte er wohl auch die Offenbarungen Gottes
mißkennen. Wir finden es logischer zu glauben, daß Bileam
in dem einen Falle inspiriert wurde von einem Geiste, der
die Moabiter begünstigte, und in dem anderen das Werkzeug
eines Schutzgeistes des israelitischen Volkes wurde,
sodaß er dieses segnete. Klüger wäre es, so dünkt uns,
daraus den Schluß zu ziehen, daß wir alle Geistermitteilungen
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