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Reich: Leben und Weben des Weibes. 657
Hiervon predigen männliche und weibliche Matadoren
der Emanzipation den Frauen nichts; nur immer bestreben
sie sich, die Frau ihrem naturgemäßen Wirkungskreise zu
entziehen und in Berufe hinein zu treiben, welche Liebe
und Anmut, Gesundheit und Laune, Lebensglück und echte
Weiblichkeit zerstören und die Mutter der Familie entfremden
, krank machen, der Entartung ausliefern und dadurch
mittelbar auch dem Manne große Leiden zufügen. Rasend
drehen sich die Emanzipationssüchtigen im Hexentanze der
Bewerbungen um Pastorate, Advokatendienst, Richterstühle,
Ärztetum und tausende andere Tümer, deren Charakter
eire rechte Faust auf das Auge der Weiblichkeit ist, weil
Ehrgeiz und Geldgier die unglückseligen Frauen zu Unmöglichem
treiben oder schwarzen Elends Stachelpeitsche
über ihren Häuptern saust.
Durch allgemeine Einführung des Systems der altruistischen
Gegenseitigkeit ist die Frau bedingungslos der Notwendigkeit
enthoben, ihre Pflichten als Gattin, Mutter,
Hausfrau zu beschränken oder gar zu opfern, ihre Liebe in
den Hintergrund zu drängen, ihre Gesundheit zu beschädigen
, ihre Moral und Ästhetik zu gefährden und ihre Freiheit
zu verlieren; denn altruistische Gegenseitigkeit als
System der ganzen Staatsgesellschaft macht einen dicken
Strich durch Elend und Ausschreitung, macht zahllose Arbeiten
der Dummheit und des Wahnes überflüssig, sammelt
alle in freudiger Arbeit erzeugten und gesammelten Güter
und gewährt jedem Einzelnen freien und reichlichen Genuß
derselben als seines unnehmbaren persönlichen Eigentums.
Alle sind liebe- und freudenvoll tätig für alle und jede
Person und deren beweglicher, wie unbeweglicher Besitz
ist unbedingt sicher für alle Zeit, wie unter allen Umständen
. Gute Staats- und Gemeindeverwaltungen finden
es keinen Augenblick schwer, sämtliche hier in Betracht
kommenden Nüsse zu knacken.
Innerhalb eines solchen glücklichen Systems der privaten
und öffentlichen Wohlfahrt werden die Hemmnisse,
welche unter Einfluß des egoistischen Systems normale
geistige, moralisch-religiöse, hygieinische und soziale Erziehung
der Frauen beeinträchtigen, bald verschwunden
sein und niemals mehr zur Geltung kommen. Heutzutage
lassen diese Hindernisse, mit denen oft genug auch die meist
bevorzugten Individuen und Klassen ringen, selten gänzlich
sich entfernen. Da dem so ist, brechen überall schwere
Übel herein und stören allgemeines Lebens-, wie besonderes
Familienglück, bringen auf Abwege und lassen die Frauen
nicht dazu kommen, ihren wahren Beruf zu erfüllen.
4.4
Tf
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